"United City Warrior Society"

Native American / First Nation

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"Austria"

 

Herzlich

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Diese Homepage dient zur Information und Aufklärung und soll zum Nachdenken anregen. 500 Jahre Unrecht sind genug. Es wird Zeit das die amerikanischen Ureinwohner zu ihrem Recht kommen.

 

 Hau Kola

 

Welcome

 

This website serves to inform and educate and is thought-provoking. 500 years are wrong enough. It is time that the Native Americans have their rights.

 

the eagles bed by Native American Indian on Grooveshark
Native American / First Nation History Page "Austria"
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We support the American Indian Movement"

Christian Hauser, Founder & President United City Warrior Society
Christian Hauser, Founder & President United City Warrior Society
Diese Seite ist der amerikanischen Urbevölkerung gewidmet. In großem Respekt vor ihrer Kultur und in Ehrfurcht vor dem Leid, was sie erfuhren, möchte ich meinen Teil dazu beitragen, dass sie niemals vergessen werden auf dieser Welt.

Ich dulde hier keine selbsternannten Medizinmänner oder Indianerkopierer. Meine Beiträge sind von mir sorgfältig recherchiert und dienen ausschließlich der Information. Der Respekt vor der Kultur und den Ritualen der Native American People steht im Vordergrund.

Obwohl ich mich hier hauptsächlich mit den Ureinwohnern Nordamerikas auseinandersetze, möchte ich festhalten, dass mir selbstverständlich bewußt ist das den Ureinwohnern Südamerikas und Canadas genauso Unrecht geschehen ist und noch immer geschieht.
Ich möchte die Native Americans hier nur als Beispiel für 500 Jahre Unrecht auf dem ganzen Koninent anführen.
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This page is dedicated to the Native Americans  . With great respect for their culture and in awe of the suffering, what they learned, I want to do my part, that they'll never forget in this world.

I suffer here no self-proclaimed medicine men or Indians copier. My posts are of my carefully researched and are for information only. Of respect for the culture and rituals of the Native American People in the foreground.

Although I am here primarily grappling with the Native Americans, I would hold that to me is of course aware that the natives of South America and Canada just been wronged and is still happening.
I would just mention the Native Americans as an example for 500 years on the wrong continent.
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Die Gesichter eines stolzen Volkes

Wer waren die Indianer des Wilden Westens? Jedermann kennt sie - die Männer mit den Adlernasen, dem zu Zöpfen geflochtenen Haar und den Kriegsfedern, mit straff über hohen Backenknochen gespannter kupferfarbener Haut und Gesichtern, deren Ausdruck durchdringend und furchtlos war. Auch die Stammesnamen sind einem vertraut: Comanche, Cheyenne, Sioux, Kiowa und andere - alles Namen, die von wilder Tapferkeit widerhallen und Vorstellungen von bemalten Reitern mit Lanzen und Bogen heraufbeschwören. Diese Stämme und ihre Krieger bewohnten die Great Plains. Für die meisten Weißen stellten sie den Prototyp aller West-Indianer dar: die Männer von Kindheit an für die Jagd und den Kampf ausgebildet, ihre Männlichkeit an ihrer Kühnheit in der Schlacht messend; die Frauen dazu erzogen, die Krieger zu unterstützen, an Siegesfeiern teilnehmend oder ihre Körper bei Niederlagen vor Trauer zerfleischend.

 

Auf einige Stämme trafen diese Vorstellungen zu - jedoch nur teilweise. Insgesamt aber wurden sie der Vielfalt aller West-Indianerstämme in keiner Weise gerecht. Zwischen dem Mississippi und dem Great Basin jenseits der Rocky Mountains lebten über 30 einzelne Stämme, jeder mit eigener Sprache und eigener Lebensweise. Manche von ihnen waren nomadische Jäger, die den Bisons folgten. Andere waren in erster Linie Bauern, die Pfirsichplantagen anlegten oder in fruchtbaren Flugtälern Mais und Melonen anbauten. Wieder andere waren die Piraten der Plains, die auf ihren Raubzügen von anderen Stämmen Pferde, Mais und Tabak erbeuteten. Das Indianerreich war kulturell unterschiedlich gegliedert, aber die weitverstreuten Dörfer waren durch ein Netz von Trails miteinander verknüpft, über die Waren wie Pazifikmuscheln im Tausch gegen Hirschfelle ins Landesinnere gelangten.

 

Allen diesen Indianern, Kriegern wie Bauern, war ein gemeinsames Los bestimmt: durch den weißen Mann verdrängt zu werden. Mitte des 19. Jahrhunderts wurden sie durch weiße Farmer, Goldsucher, Viehzüchter und die U.S. Cavalry von ihrem Land vertrieben. Das Ergebnis dieser Konfrontation mit den Weißen stand niemals wirklich in Zweifel. Obwohl die Indianer einige wichtige Schlachten gewannen - eine davon noch im Jahre 1876 -, waren sie zahlenmäßig zu schwach, zu zersplittert und zu schlecht bewaffnet, um die in Wellen heranbrandenden Eindringlinge abwehren zu können. Im Jahre 1840, bevor die Invasion richtig begonnen hatte, durchstreiften nicht mehr als 300 000 Indianer den Westen. Aber obwohl ihr Kampf aussichtslos war, leuchteten Stolz und Trotz aus ihren Gesichtern und sprachen aus ihren Worten. Wie der Kiowa-Häuptling White Bear (Weißer Bär) 1867 sagte: „Ich will mich nicht in Häusern niederlassen, die ihr für uns bauen würdet. Ich liebe es, über die wilde Prärie zu streifen. Dort bin ich frei und glücklich." Neun Jahre später verübte White Bear in einem Gefängnislazarett Selbstmord.

Navaho Junge
Navaho Junge
Two Hatchet, Kiowa
Two Hatchet, Kiowa
Particular Time of Day, Pawnee
Particular Time of Day, Pawnee
Narlin, Apache Mädchen
Narlin, Apache Mädchen
Wachful Fox, Sauk und Fox
Wachful Fox, Sauk und Fox
Spotted Eagle, Sioux
Spotted Eagle, Sioux

Gebets- und Friedenspfeifen

 

Kein Ritual wurde von den Indianern häufiger ausgeübt als das des Rauchens. Zündete ein Indianer die kinnikinnick genannte Mischung aus Tabak und aromatischen Kräutern im Steinkopf seiner Pfeife an, verband er damit oftmals tiefernste Absichten. Der Rauch, den er ausatmete, wurde als Gebetshauch betrachtet, und die Pfeife selbst galt als intimes Verständigungsmittel mit der Geisterwelt. Pfeifen dienten auch dazu, wichtige Gespräche zwischen Männern zu heiligen. Ein früher Trapper namens Alexander Ross hielt fest:
das Pfeifenrauchen sei „der Einleitungsschritt zu allen wichtigen Angelegenheiten, und bevor die Zeremonie des Rauchens beendet ist, sind mit diesen Leuten keinerlei Verhandlungen möglich".


Zeremonielle Pfeifen wie die unten abgebildete Crow-Pfeife waren Eigentum eines Häuptlings, Medizinmannes oder Kriegers. Sie wurden nach einem ernsten und genau festgelegten Ritual geraucht, um einen Eid zu leisten oder einen Vertrag zu schließen, woraus der weiße Mann den Ausdruck „Friedenspfeife" ableitete.
Die Pfeifen dienten auch als Reisepaß und wurden bei privaten Auseinandersetzungen als Beschwichtigungsmittel verwendet. Brannte ein Krieger mit der Frau eines anderen durch, verlangte die Etikette, daß er einen alten Mann mit einer Pfeife zu dem betrogenen Ehemann schickte. Rauchte der Ehemann diese Pfeife, so gab er zu erkennen, daß er darauf verzichtete, sich an den Liebenden zu rächen. Viele Männer besaßen eine ungeschmückte Alltagspfeife, weil das Rauchen auch eine zwanglose Gewohnheit war.

Die Herstellung einer Zeremonialpfeife erforderte sorgfältige, geduldige Arbeit, und ein gutes Stück konnte soviel wie ein Pferd wert sein. Die Pfeifenköpfe wurden aus weichem Gestein in verschiedenen Farben gearbeitet, wobei rote als die schönsten galten. (Dieses rote Gestein erhielt später den Namen Catlinit - nach dem Maler George Catlin, der die heilige Stätte in Minnesota besucht hatte, wo es in einem Steinbruch abgebaut wurde.)


Die Bearbeitung der Pfeifenköpfe erfolgte im allgemeinen durch Spezialisten. Mit von den Europäern eingeführten Metallwerkzeugen konnten diese geschickten Handwerker dem Stein die kühnen Formen eines Pferdes in vollem Galopp geben (unten) oder die feinen Details eines Basreliefs wie das Wellenmuster des Bisonfells auf dem unteren Pfeifenkopf herausarbeiten. Nachdem der Pfeifenkopf fertiggeschnitzt war, glätteten und polierten sie seine Oberflächen mit einer Schilfart, die wie feines Schmirgelpapier wirkte.

 

 

Der Pfeifenstiel wurde aus Esche, Weide oder Pappel angefertigt, die weiches Mark besitzen, das der Pfeifenmacher entweder herauskratzte, nachdem er den Stiel der Länge nach gespalten hatte, oder herausbrannte, indem er einen Hartholzstab oder später einen erhitzten Draht verwendete. Obwohl ein Teil des von den Indianern gerauchten Tabaks wild wuchs, bauten verschiedene Stämme Tabak an, um stets einen gewissen Vorrat zu haben und damit Handel treiben zu können. Aussaat wie Ernte des Tabaks erforderten ritualisierte Gebete und Tänze. Die Blackfoot-Indianer nähten sogar winzige Mokassins, die als Geschenke für die Tabakgeister - die sie sich als kleine Kobolde vorstellten - auf den Feldern zurückgelassen wurden. Da der Rohtabak zu stark war, streckten die Indianer ihn mit Sumachblättern, Bärentrauben und Weidenrinde.

Die Stämme und ihre Territorien

Dreizehn als Krieger und Jäger berühmte nomadische Indianerstämme beherrschten Anfang und Mitte des 19. Jahrhunderts das Kerngebiet der Prärie. Aber die Welt, in der sie lebten, befand sich in rascher und gewaltsamer Umwälzung; die auf dieser Karte für das Jahr 1840 eingetragenen Stammesgebiete unterschieden sich sehr von den noch vor 50 Jahren gültigen - oder den späteren.

 

Einige der wildesten Kriegerstämme, darunter auch die Cheyenne und Sioux, waren aus den Waldgebieten am oberen Mississippi und an den Großen Seen auf die Plains gekommen. Andere, weniger mächtige Stämme, wie zum Beispiel die Iowa und Missouri, waren von den Weißen aus den Gebieten verdrängt worden, die ihre Namen trugen.

 

Die reitenden Nomaden, die über die Great Plains streiften, lebten in erster Linie von der Bisonjagd. Sie befehdeten sich gegenseitig und mußten sich gelegentlich gegen Stämme wie die Pawnee und Mandan behaupten, die größtenteils in festen Dörfern und von Landwirtschaft lebten, aber im Sommer auf Bisonjagd gingen und manchmal Nomaden überfielen, um sich Pferde zu beschaffen.

 

Im Südwesten lebten die Pueblo-Indianer: Erfahrene Bauern, die in riesigen Apartmenthäusern aus Lehmziegeln oder Steinen wohnten und geschickt mit den Nomaden des Südens Handel trieben, indem sie Pferde und Mais gegen Bisonumhänge und andere Erzeugnisse tauschten. Ihre Nachbarn waren die gefährlichen Apache, einst Bewohner der südlichen Plains, aber jetzt zum größten Teil in das Gebiet des späteren Bundesstaates New Mexico abgedrängt, wo sie in periodischen Zeitabständen von ihren mächtigen Feinden, den Comanche, überfallen wurden.

 

Im Bereich der mittleren und nördlichen Rocky Mountains stießen Ute, Shoshoni, Nez Perce und einige andere Stämme gelegentlich ins Bisonland vor. Jeden Sommer ritten beispielsweise die Nez Perce nach Osten über die hohen Pässe, um Bisons zu jagen und mit den Prärie-Indianern Handel zu treiben - oder um sie zu überfallen.

 

In den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts wirkten die Kämpfe zwischen einzelnen Stämmen sich weniger als das Vordringen der Weißen auf die Verteilung der Indianer aus. Als der Druck der Weißen auf den Westen zunahm, konnten sich nur die größten und stärksten Plains-Stämme - darunter die Sioux, Cheyenne, Blackfoot-Indianer und Comanche - noch längere Zeit halten; kleinere Stämme wie die Arikara und die Crow wurden oft Verbündete der Weißen im Kampf gegen die Kriegerstämme, die ihre Erbfeinde waren.

Der lndianer - wie der weiße Mann ihn sah

Im Jahre 1833 waren die Indianer am oberen Missouri noch immer Herren ihres Landes, obwohl die Pelzhandelsgesellschaften den kulturellen Auflösungsprozeß bereits in Gang gebracht hatten.

 

In diesem Jahr reisten zwei ungewöhnliche Besucher, denen es nicht um Profit, sondern um Wissen ging, den Missouri hinauf.

 

Einer war ein deutscher Prinz in mittleren Jahren, Maximilian zu Wied, der viel lieber Naturgeschichte studierte, als sein Ländchen regierte.

 

Sein Reisebegleiter war der junge Schweizer Maler Karl Bodmer.


Diese wohlwollenden Beobachter, die über 4000 Kilometer zurücklegten, besuchten die Mandan, Hidatsa, Assiniboin, Blackfoot-Indianer und weitere Stämme.

 

Während Prinz Maximilian ein Reisetagebuch führte, machte Bodmer über 400 Skizzen, die das Aussehen und die Gebräuche der Indianer zeigten.

Seine Skizzen waren die Grundlage einer später veröffentlichten Reihe sehr genauer, kolorierter Kupferstiche,


zu denen auch die Wiedergabe des Skalptanzes der Hidatsa gehörte, bei dem die Frauen die Feierlichkeiten nach einem siegreich beendeten Gefecht anführten.


Die Arbeiten dieser beiden sollten der letzte Bericht über einige der besuchten Stämme sein.

 

Nur wenige Jahre später dezimierte eine von den Weisen eingeschleppte Pockenepidemie mehrere der Stämme am oberen Missouri.

Unweit ihres aus 60 Hütten bestehenden Dorfes transportieren Mandan-Frauen in Booten, die Bisonfellbespannung haben, Brennholz über den Missouri.
Unweit ihres aus 60 Hütten bestehenden Dorfes transportieren Mandan-Frauen in Booten, die Bisonfellbespannung haben, Brennholz über den Missouri.
Bei dem Büffeltanz, der von zwei angesehenen Kriegern mit Bisonschädeln angeführt wird, imitieren Mandan das Gedränge innerhalb der Bisonherde.
Bei dem Büffeltanz, der von zwei angesehenen Kriegern mit Bisonschädeln angeführt wird, imitieren Mandan das Gedränge innerhalb der Bisonherde.
Ein einzelner in ein Bisonfell gehüllter Mandan betet zu den Sonne- und Mondidolen, die aus Fellen, Gras und Zweigen angefertigt sind
Ein einzelner in ein Bisonfell gehüllter Mandan betet zu den Sonne- und Mondidolen, die aus Fellen, Gras und Zweigen angefertigt sind

Ein Bündnis zwischen den Stämmen

Es war die Jahreszeit, in der die Bisons den größten Teil ihrer langen Winterbehaarung abgeworfen haben und die braunen Kälber den Muttertieren folgen, die Zeit, in der die Präriepflaumen hart und grün sind und die Sonne heiß auf die weiten High Plains herabbrennt. Ein großer indianischer Friedensrat trat zusammen, und der Zeitpunkt war nicht nach Denkkategorien der Weißen festgelegt worden. Weiße Männer hätten gesagt, dies sei das Jahr 1840. Aber nach indianischer Zeitrechnung waren sieben Winter seit jenem großen Meteoritenfall vergangen, der bei ihnen „Winter, in dem die Sterne fielen", hieß. Es war neun Sommer her, seitdem die Comanche mit ihren Lanzen ein bärtiges Bleichgesicht durchbohrt hatten, das nach Auskunft von Mexikanern der berühmte Forschungsreisende Jed Smith gewesen sein sollte. Es war erst zwei Sommer her, das die Stämme, die nun an Frieden dachten, sich am Wolf Creek eine blutige Schlacht geliefert hatten.


Jetzt zogen sie Hunderte von Kilometern weit von Norden und Süden durch baumloses Grasland zu dem vereinbarten Treffpunkt an einem Flug, der eine Art Grenze zwischen den feindlichen Stämmen gebildet hatte. Bei ihnen hieß dieser Flug Arrowpoint (Pfeilspitze); weiße Händler nannten ihn Arkansas. Insgesamt versammelten sich dort etwa fünftausend Indianer. Aus dem Norden zogen die Süd-Cheyenne mit einigen der ihnen verbündeten Arapaho heran; aus dem Süden kamen die Kiowa mit einigen Comanche, die ihre Verbündeten waren. Und zu den bei den Beratungen vertretenen Gruppen würden auch Nord-Cheyenne und Arapaho, die bis zu tausend Kilometer weit im Norden lebten, und Comanche, deren Stammesgebiet tausend Kilometer weit im Süden lag, gehören.

 

 

Die Häuptlinge der Cheyenne hatten sich für einen Versammlungsort zwei Wegstunden flußabwärts von Bent's Fort entschieden, einem von hohen Mauern umgebenen Bau aus Adobe-Lehmziegeln, den weiße Händler, von denen einer mit einer Cheyenne verheiratet war, errichtet hatten. Die nähere Umgebung des Forts kam ihrer Überzeugung nach als Versammlungsort nicht in Frage. Vor allem fehlte dort Feuerholz, weil die Bäume teilweise zum Bau der Gebäude gefällt und zum anderen Teil von dort lagernden Indianern und Weißen als Feuerholz verbraucht worden waren. Außerdem waren die dortigen Weideflächen völlig abgegrast. Aber zehn Kilometer unterhalb des Forts verbreiterte sich das Tal auf beiden Flugufern zu einer weiten Überschwemmungsebene, die reichlich mit Pappeln und Weiden bestanden war - ein idealer Lagerplatz mit genügend Raum, Schatten, Wasser und Holz. Im Norden und Süden des ostwärts strömenden Flusses gab es reichlich Gras für die vielen Pferde, welche die Cheyenne als Geschenk von ihren ehemaligen Feinden zu erhalten hofften.


Die Cheyenne und Arapaho trafen als erste ein - auf dem Nordufer des Flusses. Sie müssen das Tal mit widersprüchlichen Gefühlen betreten haben. Es war immer gut, an einen Fluss zu kommen, und dieser Fluss war eine Oase in einem wüstenhaften Gebiet. Das Land, aus dem sie kamen, war wegen seiner Eintönigkeit abschreckend. Dort waren eine Wolke und ihr Schatten auf der Erde eine Wohltat fürs Auge; ein einzelner in der Luft kreisender Habicht war es wert, beobachtet zu werden. In jenem Land war der Boden grau, und die spärliche Vegetation bedeckte ihn selbst jetzt, im Frühsommer, nicht vollständig. Außerhalb der Flugniederungen waren die größten Pflanzen vereinzelte Beifußgewächse, Spanisches Bajonett und Feigenkakteen. Die Pappeln am Flug erschienen ihnen wie Riesen; ihre weißlichgrauen, zerfurchten Stämme waren so dick, daß ein Mann sie nicht allein umspannen konnte, und einige von ihnen ragten viermal so hoch wie ein Tipi auf. Ihre ständig sanft raschelnden Blätter flüsterten von Schatten, erfrischenden Bädern und den Freuden des Lagerlebens.

 

 

Aber diese Überschwemmungsebene am Ufer des Arrowpoint River war kein gewöhnlicher Lagerplatz. Die Cheyenne und Arapaho hatten das Tal kaum erreicht, als sie bereits gespannt - und vielleicht auch mit einiger Besorgnis - nach Süden zu sehen begannen. Schließlich trifft man mit früheren Todfeinden nicht ohne ein gewisses Unbehagen zusammen - auch nicht zu einem Friedensrat. Andererseits hatten diese ehemaligen Feinde versprochen, viele Pferde mitzubringen. Die Cheyenne und Arapaho besaßen einige, aber nie genug für ihre Bedürfnisse. Die Kiowa und Comanche waren reich an Pferden.


Die Cheyenne schlugen ihr Lager, durch das ein kleiner Bach flog, in einem Kreis auf, und liegen ihn nach Osten, in Richtung Sonnenaufgang, offen. Jede Gruppe des Stammes nahm ihren genau festgelegten Platz ein, und alle Tipis standen wie üblich so, daß ihr Eingang der aufgehenden Sonne zugekehrt war. Die Cheyenne, die sich an jeden ihrer traditionellen Bräuche hielten, errichteten ein weiträumiges Lager. Ein Kreis war nicht unbedingt die praktischste Anordnung, aber er war eindrucksvoll. Diese Leute aus dem Süden, die um Frieden gebeten hatten, sollten sehen, wie ein straff geführter, disziplinierter Stamm sein Lager aufschlägt. Denkbar ist auch, daß die Cheyenne sich dabei von einer weiteren Überlegung leiten liegen: Wenn die Häuptlinge aus dem Süden ohne Zögern bereit waren, sich ins Herz des Cheyenne-Kreises zu begeben, trug das natürlich dazu bei, die Aufrichtigkeit und das Vertrauen der Gäste zu beweisen.


High Backed Wolf (Hochrückiger Wolf), der Oberhäuptling der Cheyenne, lieg in der Mitte des Lagerkreises eine besondere Hütte errichten - ein Stangengerüst, das auf einer Seite mit Häuten bespannt und auf der anderen offen war. Sie war groß genug, um mehr als ein Dutzend zu Besuch kommender Häuptlinge aufzunehmen.

 

Vorerst deutete jedoch nichts auf die Ankunft der Indianer aus dem Süden hin. Gruppen von Jägern ritten flußabwärts, um nach Möglichkeit Hirschfleisch zurückzubringen. Die Frauen suchten den kleinen Bach und die Flugufer nach Treibholz ab, das sie zu ihren Hütten trugen oder mit Pferden zurückschleppten. Dabei blickten sie häufig nach Süden. Viele dieser Frauen trugen Narben an Armen und Beinen von Verletzungen, die sie sich selbst beigebracht hatten aus Trauer über den Tod von Vater, Ehemann oder Sohn, die im Kampf gegen eben jene Indianer, die jetzt von Süden heranzogen, gefalleq waren.
Am dritten Tag nach der Ankunft der Cheyenne und Arapaho beobachteten sie einzelne Reiter - Späher - weit jenseits des Flusses auf den Hügelrücken am südlichen Horizont. Dann sahen sie an einem halben Dutzend Stellen graue Staubwolken aufsteigen. Das Land dort draußen war hügelig, und vom Flußufer aus war nicht zu erkennen, wer dort kam. Aber einige Pappeln bildeten in Bodennähe Doppelstämme, und ihre mächtigen Aste ließen sich erklettern. Jungen und Mädchen bestiegen diese Bäume - mit Hilfe von Rohhautlederschlingen oder durch reine Behendigkeit -, um einen besseren Aussichtspunkt zu erreichen. Sie meldeten ihre Beobachtungen nach unten weiter, und man kann sich ihre lauten Schreie vorstellen:
„Ich sehe sie kommen! Ja! Dort vorn! Ein ganzes Dorf! Tragpferde! Reiter! Lasten auf Schleifbahren!"
„Wie viele Pferde ohne Reiter?"
„Mindestens hundert - über hundert!"
Und von einem anderen Baum: „Sieh nach links! Unter dem Staub! Viele Pferde!"
„Freie Pferde? Zählt sie!"
„Es müssen fünfhundert sein!"
Und von einem dritten Beobachter: „A-iii! Tausend kommen über den Hügel! Immer mehr kommen! Mehr als tausend! Und ich sehe Staub in der Ferne!"

Schließlich hörten sie die Pferde kommen, deren Hufschläge die Erde erzittern liegen. Die Neuankömmlinge brachten mindestens achttausend Pferde mit - mehr als die meisten der am Fluss lagernden Cheyenne jemals gesehen hatten. Sie ritten aus dem grau-grünen Grasland auf den Versammlungsort zu: alle sechs Unterstämme der Kiowa mit einigen Dutzend Gruppen; Männer, Frauen und Kinder sowie einige gefangene Mexikaner, die ihre Sklaven waren. Begleitet wurden sie von zwei Gruppen stolzer Comanche.


Die Männer und Jungen trieben die freien Pferde zur Tränke an den Fluss0 und danach wieder vom Wasser fort. Die Frauen brachten die Schlepp- und Tragpferde auf die sandige Ebene südlich des Flusses und begannen, sich stromaufwärts und stromabwärts zu verteilen. Die Häuptlinge legten fest, wo ihre Gefolgsleute das Lager aufschlagen sollten; bezeichnenderweise waren es die Frauen, die dann entschieden, wo die Tipis aufgestellt wurden. Obwohl die Frauen in der Stammeshierarchie nur einen untergeordneten Rang innehatten, übten sie dadurch, daß sie im Lager die meisten Arbeiten verrichteten, beträchtlichen Einfluß aus. Sie achteten auf Schatten, Holzvorräte, die Nähe zum Wasser, Gras für ein oder zwei Lieblingspferde, die dort angepflockt wurden, und die Nachbarschaft von Freunden oder den angesehenen Mitgliedern der Gruppe. Sie dachten daran, eine Stelle auszusuchen, die bei Regen nicht unter Wasser stand. Der beste Platz lag im Nordosten einer riesigen Pappel, die in der Mittagssonne Schatten warf - aber nicht direkt unter den Zweigen, weil es von den großen Blättern noch Stunden nach einem Regen tropfte.


Während die Frauen auf dem Südufer ihre Tipis aufstellten, merkten sie, daß neugierige und kritische Blicke vom anderen Ufer aus ihre Geschicklichkeit beurteilten. Die Kiowa-Frauen banden die drei Hauptstangen jedes Tipis unterhalb der Spitze mit Rohhautlederriemen zusammen, stellten das Dreibein auf, ergänzten es durch weitere Stangen zu einem kreisrunden Traggerüst, banden die Stangen oben nochmals fest, hoben mit der letzten die schwere, aus Bisonleder genähte Außenhaut hinauf und entfalteten sie um das Gerüst herum, so dag ein gleichmäßiger Kegel entstand. Sie würden den Cheyenne zeigen, wie man ein richtiges Lager aufschlug! Warum bestanden diese abergläubischen Leute darauf, in einem Kreis zu lagern? Manche von ihnen mußten dadurch einen weiten Weg zum Wasser gehen. Die Kiowa-Frauen halfen sich gegenseitig und scherzten miteinander, während sie auf der Überschwemmungsebene am südlichen Ufer des Flusses ihr Lager aufschlugen.

Manche der Tipis auf beiden Flugufern waren mit geometrischen Mustern, religiösen Symbolen oder Darstellungen von Großtaten eines Kriegers geschmückt. Einige waren durchgehend rot bemalt; der Besitzer eines dieser Tipis trug den passenden Namen Red Tipi (Rotes Tipi). Aber die meisten dieser mit Häuten überzogenen Kegel wiesen das natürliche Gelbbraun des Bisonleders auf und waren an der Spitze von Rauch geschwärzt.


Finige Kiowa-Frauen machten sich bald auf, um das Südufer des Flusses nach Treibholz abzusuchen. Andere begannen Laubhütten zu bauen: In den Boden geschlagene Pfähle trugen ein Flechtwerk aus Ästen, das mit belaubten Zweigen gedeckt wurde. In diesen seitlich offenen Laubhütten war es kühl und schattig; unter ihren Dächern konnte man im Freien kochen, sitzen und Besuch empfangen. Durch diese emsige Tätigkeit entstand eine seltsam häusliche Atmosphäre, die von einem Ufer aufs andere übergriff. Viele der hier Versammelten konnten sich noch an eine Zeit erinnern, in der zwischen den Kiowa, Comanche und Cheyenne.Frieden geherrscht hatte. Ihre Lebensgewohnheiten waren ähnlich. Hier konnte kein Verrat beabsichtigt sein, da Frauen, Alte und Kinder sich an einem Fluss niederließen, über den ein Junge einen Stein werfen konnte.


Sobald die Neuankömmlinge sich eingerichtet hatten, bestieg der Cheyenne-Häuptling High Backed Wolf sein Pferd und ritt durch den Fluss, der zu dieser Zeit nur knietief war. Er lud die Häuptlinge aus dem Süden zu einem Festmahl in die Hütte ein, die seine Cheyenne eigens zu diesem Zweck erbaut hatten. Der Oberhäuptling der Kiowa, Little Mountain (Kleiner Berg), ihr Kriegshäuptling Sitting Bear (Sitzender Bär) und die Häuptlinge der einzelnen Gruppen nahmen seine Einladung an. Als sie sich versammelten, um gemeinsam den Fluss zu überschreiten, waren sie wie der Cheyenne-Häuptling prunkvoll gekleidet, trugen aber keine Kriegsbemalung, Waffen oder Schilde.


Ihre Kleidung bestand aus weichen Hirschlederhemden, Leggings und Mokassins, die alle mit Fransen besetzt, hier und da mit Glasperlen bestickt oder mit Muscheln oder klimpernden Metallstücken behängt waren. Sie trugen Silberanhänger an Lederriemen oder Halsketten aus Muscheln, Glasperlen, Bärenkrallen oder Wapitizähnen; ihr zu Zöpfen geflochtenes Haar verschwand teilweise unter Pelzmützen oder gegerbten Vogelbälgen. Ihre kupferfarbenen Gesichter, manche von langen Jahren unter der Sonne runzelig geworden, waren ernst, nachdenklich, bedächtig.

Friedensverhandlungen bestanden bei diesen Indianern hauptsächlich aus Festmahlen, Zeremonien und der Übergabe von Geschenken, wodurch Freundschaft und gute Absichten demonstriert wurden. Nachdem High Backed Wolf unbewaffnet bei den Kiowa und Comanche gewesen und die Häuptlinge aus dem Süden zu dem Festmahl in dem Tipi in der Mitte des Cheyenne-Kreises gekommen waren, löste sich auch die letzte Spannung. Der Tag wurde zu einem Festtag. Die Gruppen eines Stammes, die jeweils aus nur wenigen hundert Menschen bestanden, kamen nicht oft zusammen und blieben nicht lange beieinander, weil ihre Pferde das Gras in der Umgebung des Lagers bald abgeweidet hatten. Dies war eine seltene Gelegenheit, alte Freunde und Verwandte zu besuchen, Neuigkeiten auszutauschen, zu feiern, zu spielen, sich im Glücksspiel zu versuchen, Handel zu treiben und Pferderennen zu veranstalten.


Nackte Kinder rannten zwischen den Tipis umher, ritten auf Steckenpferden, jagten sich gegenseitig und blieben gelegentlich stehen, um vorbeikommende Fremde mit großen Augen anzustarren. Die etwas älteren Jungen brachen mit halblangen Speeren, Bogen und Pfeilen zu Streifzügen und Jagdausflügen in die Weidendickichte auf; konnten sie dort weder Vögel, Präriehunde noch Kaninchen aufstöbern, erlegten sie statt dessen Heuschrecken und Libellen. Die größeren Jungen spielten Krieg oder brachten ihre eigenen Pferde auf eine Lichtung, um Reitkünste vorzuführen, wobei sie an der Seite des galoppierenden Tieres hingen und sich geschickt noch tiefer hinabschwangen, um einen Gegenstand vom Erdboden aufzuheben.


Die Mädchen halfen ihren Müttern, solange Hilfe benötigt wurde. Manche von ihnen spielten mit ausgestopften Hirschlederpuppen Familie oder spannten dafür ihre eigenen kleinen Geschwister ein. Die Frauen besuchten sich gegenseitig, klatschten und halfen einander. Diejenigen unter ihnen, die frisches Fleisch hatten, luden ihre Freundinnen aus anderen Gruppen zum Essen ein. Einige Frauen und Mädchen gingen das Flussbett entlang und brachten außer Feuerholz auch grünes Holz zurück. Sie schlugen Äste von Pappeln ab oder fällten große Haufen von mannshohen Weiden, damit ihre Kochfeuer genügend Rauch entwickelten, um die Moskitos und grünen Fliegen zu vertreiben, die aus dem Nichts aufzutauchen schienen und eine Plage für jedes Lager waren.

 

Hunderte von Hunden streunten zwischen den Tipis umher, suchten Abfälle und Knochen und beschnüffelten sich gegenseitig. Hier und dort umkreisten zwei Hunde sich steifbeinig, stürzten sich dann zähnefletschend aufeinander und balgten sich kläffend. Die nächststehende Frau ergriff dann irgendeine Waffe - eine Reitpeitsche, einen Stock - und stürzte sich in den Kampf, woraufhin die beiden Raufbolde auseinanderfuhren und sich davontrollten.


Das Tal war bald von einer reichen Mischung von Gerüchen erfüllt, zu der Holzrauch, weggeworfenes verfaulendes Fleisch, Exkremente hinter den Weidengebüschen, Essensdünste aus Kochtöpfen und auf Kohlen herabtropfendes Bratenfett beitrugen. Dies war der charakteristische Geruch des Lagerlebens.

 


Die Männer hatten wenig zu tun. Manche von ihnen gingen auf die Jagd, denn Bisons, Hirsche und Antilopen kamen von weit her zur Tränke an diesen Fluss. Aber die meisten von ihnen amüsierten sich nur. Sie sprachen über Jagdabenteuer, Raubüberfälle und die Gegenden, in denen ihre Gruppen in den vergangenen Monaten gewesen waren. Sie tauschten Pfeile, Bisonumhänge und Pferde. Die unternehmungslustigeren Männer veranstalteten Spiele, bei denen die Spieler mit Pfeilen oder Stöcken nach einem lederbespannten rollenden Reifen warfen; sie schrien und prahlten bei diesem Spiel mit gutmütiger Begeisterung und schlossen Wetten auf ihre Geschicklichkeit ab, wobei die Einsätze zwischen einem Dutzend kleiner Glasperlen und einem schönen Umhang, an dem eine Frau zwei Wochen lang gearbeitet hatte, liegen konnte. Auch die Frage nach der Schnelligkeit ihrer Lieblingspferde wurde unweigerlich aufgeworfen. Sie legten sich nördlich und südlich des Flusses Rennstrecken an und veranstalteten Pferderennen. Unter den Anfeuerungsrufen parteiischer Pferdenarren wühlten die Hufe den graubraunen Schwemmsand auf; die Männer schlossen ohne Rücksicht auf Verluste Wetten ab.

 

Wenn der Abend herabsank, warfen die Frauen frisches Holz auf ihr Feuer, um Licht für Spiele oder Tänze zu haben. Das Lieblingsspiel der Frauen war das Pfriemspiel (S. 19), das um eine Decke herum gespielt und von Enttäuschungsund Freudenschreien begleitet wurde. Ein weiteres Spiel für Männer oder Frauen war das Knopfspiel, zu dem lediglich ein kleines bemaltes Holzstück (der Knopf), das sich in einer Hand verbergen ließ, und ein Stapel Zählhölzer, die zu gewinnen waren, benötigt wurden. Zwei Mannschaften sagen sich so gegenüber, daß sie ein Feuer zwischen sich hatten. Ein Spieler einer Mannschaft nahm den Knopf von einer Hand in die andere und gab ihn an einen Mitspieler weiter - oder tat nur so -, während die anderen einen Gesang aus fast bedeutungslosen Lauten anstimmten, der sich in Tempo und Lautstärke den Bewegungen der Mannschaft mit dem Knopf anpaßte. Die andere Mannschaft beobachtete diese Bewegungen - und selbst die Gesichtsausdrücke - ihrer Gegenspieler genau. Der entscheidende Augenblick kam, wenn einer der Beobachter rief: „Der da!" Der Mann, auf den er dabei zeigte, mußte seine Hände vorweisen, und die Mannschaften gewannen oder verloren Zählhölzer, je nachdem, wie gut der Rufer geraten hatte. Die Spieler gaben auch diesem Spiel etwas zusätzliche Würze, indem sie Wetten auf ihre Geschicklichkeit abschlossen.


An einem Dutzend Stellen innerhalb des Lagers wurde getanzt. Die Trommler holten ihre bemalten Trommeln hervor und stellten sie so auf, daß an jedem Instrument mehrere Männer hocken konnten. Der Rhythmus wurde schneller; Männer und Frauen tanzten nebeneinander, bildeten einen Kreis, der bald größer, bald kleiner wurde, und folgten einander gelegentlich in einem schlangenartigen Zug. Die Männer sangen mit tiefen Stimmen. Die Frauen hatten schrillere Stimmen. Von Zeit zu Zeit stimmte ein alter Mann einen klagenden Singsang an. Handrasseln aus Flaschenkürbissen, Naturleder oder getrockneten Bisonhoden wurden im Rhythmus der Trommeln bewegt.


Im Tal verstreut brennende Lagerfeuer beleuchteten Bäume und sich bewegende Menschen. Die Indianerstämme besuchten sich an diesem Abend noch nicht über den Fluss hinweg, aber beide Seiten sahen, daß auf beiden Ufern des Pfeilspitzen-Flusses die gleichen Feiern stattfanden.
Die Lagerhunde heulten die ganze Nacht lang. Sie hielten über den Fluss hinweg Zwiesprache miteinander, als seien ihre Herren niemals miteinander verfeindet gewesen. Draußen auf den Präriehügeln hörten Wölfe ihr Heulen, und man konnte von ferne die Antwort vernehmen.

Über den schmalen Streifen Land zwischen dem Lager der Cheyenne und dem Flug führten Spuren von eisernen Radreifen des weißen Mannes. Diese Spuren bezeichneten den Santa Fe Trail. Die Indianer, die im Sommer des Jahres 1840 dort ihr Lager aufgeschlagen hatten, sahen wahrscheinlich keine Gefahr in dem Handel, dem dieser Handelsweg diente. Sie wußten, daß er irgendwo im Osten begann, wo die Weißen die Geheimnisse der Herstellung von Glasperlen, Schießpulver und Eisenwerkzeugen beherrschten, und an Bent's Fort vorbei nach Südwesten weiterführte. Im Vorjahr hatten die Weißen auf dem Santa Fe Trail Waren aus dem Osten im Wert von etwa 250 000 Dollar ins Land gebracht, was für die damalige Zeit ein beachtliches Handelsvolumen war; trotzdem hatten alle diese Waren nur 130 Wagenladungen ausgemacht, und die Wagen wirkten winzig in den ungeheuren Weiten der Prärie. Wäre jetzt ein Wagenzug vorbeigekommen, hätte er vernünftigerweise einen Bogen um die Indianer gemacht.


Bedeutsamer war vielleicht, daß das Lager auch auf einer weiteren Linie lag, die. von den Eingeborenen weniger verstanden und gewiß nicht beachtet wurde: eine internationale Grenze. In diesem Jahr 1840 hatte der Cheyenne-Arapaho-Bund sein Lager in den Vereinigten Staaten aufgeschlagen; das Lager des Kiowa-Comanche-Bundes befand sich entweder in Mexiko oder in der Republik Texas - je nachdem, ob es den rebellierenden Texanern gelingen würde, ihre vor kurzem errungene Unabhängigkeit und das von ihnen beanspruchte Gebiet zu behaupten.


Im Jahre 1840 lag etwa die Hälfte der jetzigen amerikanischen Weststaaten im Süden und Westen dieser Grenze, die einst von Spaniern und Franzosen zur Abgrenzung ihrer Interessensphären festgelegt worden war (Karte, S. 33). Diese Linie begann am Golf von Mexiko, führte den Sabine River entlang nach Norden, verlief am Red River nach Westen bis zum 100. Längengrad, erreichte den Arkansas (oder Pfeilspitze) etwa an der Stelle, wo später Dodge City entstehen sollte, führte stromaufwärts durch das Indianerland bis zur kontinentalen Wasserscheide, verlief entlang der höchsten Gipfel der Rocky Mountains bis zum 42. Breitengrad und stieg in genau westlicher Richtung bis zum Pazifik vor. Und die Gebiete auf beiden Seiten der Grenze sollten schon in naher Zukunft von englischsprechenden Weißen intensiv kolonisiert werden.

Die Tatsache, daß die Prärie-Indianer nichts von solchen Linien und ihrer Bedeutung wußten, macht einen Teil der Ironie ihrer historischen Situation aus. Das Jahr 1840 erwies sich als eine Art Wendepunkt für die West-Indianer. Aber das Dasein dieser Menschen war seit vielen Jahrzehnten von Veränderungen geprägt worden, und Veränderungen würden ihr Leben auch weiterhin zerrütten.


Jahrhundertelang hatten die Spanier einen Teil der amerikanischen Ureinwohner beeinflußt - vor allem in dem Bergland zwischen El Paso und Santa Fe sowie in Kalifornien. Die Spanier brachten den Indianern das Christentum, die Sklaverei in spanischen Bergwerken und verschiedene Handelswaren, aber sie lieferten ihnen grundsätzlich keine Schußwaffen. Es war ihnen nicht gelungen, bestimmte Stämme - vor allem die Comanche und Apache - unter ihre Kontrolle zu bringen, und sie hatten auch nicht verhindern können, daß spanische Pferde gestohlen und im gesamten Westen verbreitet wurden.


Französische Pelzhändler hatten seit über hundert Jahren mit den nordamerikanischen Indianern Handel getrieben. Die Franzosen hatten den größten Teil des Mississippitals erforscht und ihre Missionare und Händler alle westlichen Nebenflüsse hinauf zu den Great Plains entsandt. Sie waren gut mit den Indianern ausgekommen - manch ein Pelzjäger hatte eine Indianerin zur Frau genommen - und hatten sogar das Englische beeinflußt. Beispiele dafür sind erhalten gebliebene französische Stammesbezeichnungen wie Nez Perces (Durchbohrte Nasen) und Gros Ventres (Grogbäuche). Für das Schleppgestell, das von einem Hund oder einem Pferd gezogen wurde, hat sich das französische Wort travois eingebürgert, während cache vergrabene oder versteckte Vorräte oder Wertgegenstände bezeichnet.


Im Jahre 1840 kaufte ein großer Händler, Pierre Chouteau in St. Louis, 67 000 Bisonfelle, die alle von Indianern erbeutet, abgezogen und gegerbt worden waren. Im selben Jahr bestellte Chouteau zahlreiche Waren für den Handel mit den Indianern: Decken, Tuchballen in leuchtenden Farben, billige Gewehre mit glattem Lauf, 300 Dutzend Fleischermesser, 500 Pfund Taubenei-Glasperlen und - einem Bericht nach - 9000 Pfund blaue und weiße Kalksteinperlen. Mit welchen Whiskeymengen er den florierenden Handel in Gang hielt, wurde nicht schriftlich festgehalten.

 

Auch für den Pelzhandel standen im Jahre 1840 Veränderungen bevor. Die große Zeit der Fallensteller, die Biber gejagt hatten, war vorbei. Trapper Kit Carson, der etwa 15 Jahre lang im Westen gewesen war, stellte noch einen Winter lang seine Fallen bei Brown's Hole am Green River auf und gelangte dann zu der Schlußfolgerung: „Biber wurden sehr rar." Daraufhin begab er sich zu Bent's Fort und verdingte sich für einen Dollar pro Tag als Jäger, der Bents Leute mit Frischfleisch zu versorgen hatte. Die Ära der Überquerungen der Ebenen und Gebirge hatte begonnen. Der Handel zwischen Missouri und Santa Fe, dessen Route zum Teil dem Arkansas folgte, weitete sich rasch aus, und im Jahre 1842 brach der erste größere Treck weißer Auswanderer aus Missouri nach Oregon auf. Die Zeit der großen Goldfunde stand bevor.


Im Jahre 1840 hatte die Kultur der Prärie-Indianer, die auf der Ausbeutung des Bisons mit Hilfe von Pferden und Eisenwerkzeugen basierte, den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreicht. Diese kriegerischen, berittenen Indianer führten über weite Entfernungen hinweg Überfälle durch, trieben Handel und jagten. Sie genossen bereits die meisten Vorteile, die sie von den sie bedrängenden Europäern zu erwarten hatten. Was die Weißen ihnen später brachten, war zum größten Teil unwillkommen - und wurde abgelehnt. Eine vage Vorahnung sagte den Indianern bereits, was sie in Zukunft erwartete, und sie hatten damit begonnen, ihre zersplitterten Kräfte gegen die hereinströmenden Siedler, Viehzüchter, Goldgräber und Eisenbahner zu sammeln.


Die Stämme hielten sich ohne Zweifel für zahlreich, aber die Größe einer Bevölkerung muß stets im Vergleich zu anderen gesehen werden. In Wirklichkeit waren die West-Indianer zahlenmäßig erbärmlich schwach. Fundierten Schätzungen nach lebten im Jahre 1840 im Gebiet der jetzigen amerikanischen Weststaaten etwa 300 000 Indianer, d. h., ihre Zahl entsprach ungefähr der damaligen Einwohnerschaft von Manhattan Island. Der Westen war kein Siedlungsland, sondern trockenes Brachland, das hauptsächlich Antilopen, Kaninchen, Bighorn-Schafen, Kojoten, Bisons, Wapitis, Wölfen, Hirschen und Bären gehörte.

Siksika (Blackfeet) Indians & Tipi 1913
Siksika (Blackfeet) Indians & Tipi 1913

Die über dieses Land verstreuten Indianer waren keineswegs ein einziges Volk. In mancher Beziehung waren die Unterschiede zwischen ihnen größer als die zwischen Schweden und Arabern oder Franzosen und Chinesen, denn sie sprachen viele Sprachen und Hunderte von Dialekten, hatten unterschiedliche Wertvorstellungen und Religionen und lebten auf unterschiedlichen Erfolgsebenen, was ihre Kontrolle über ihre Umgebung und ihr Schicksal betraf.


Mark Twain, der den Westen im Jahre 1861 bereiste, schilderte die Indianer, die er in Utah und Nevada sah, als „den elendsten Menschentyp, den ich je gesehen habe". Diese Bewohner des großen Beckens, zu denen auch die Paiute und Gosiute gehörten, sammelten die wenigen Samen, Beeren und Wurzeln, die auf ihren' mit Beifugpflanzen bestandenen Steppen wuchsen, und jagten Insekten, Kaninchen, Reptilien und Mäuse. Im Gegensatz dazu lebten in der Osthälfte des späteren Bundesstaates Oklahoma Indianer, die erst vor kurzem aus dem Osten übersiedelt worden waren und bei den Weißen als die Fünf Zivilisierten Stämme bekannt waren. Einer von ihnen, der etwa 19 000 Köpfe zählende Stamm der Cherokee, war im Begriff, seine Fraktionen zu einen. Im Jahre 1839 entwarfen sie eine neue Verfassung für die Cherokee-Nation. Im Hochsommer des Jahres 1840, als die bisher kriegführenden Indianer der südlichen und zentralen Plains am Flug in der Nähe von Bent's Fort Frieden schlossen, setzten die Cherokee ihre Verfassung auf einem Treffen in Tahlequah, das am selben Flug, aber ungefähr 800 Kilometer weit stromabwärts lag, in Kraft. Im nächsten Jahr würden sie ein staatliches Schulsystem einrichten und nach drei Jahren bereits 18 Schulen unterhalten. In vier Jahren würden sie damit beginnen, den Cherokee Advocate, Oklahomas erste Zeitung, in Englisch und Cherokee herauszugeben. In elf Jahren würden sie zwei Seminare eröffnen, die höhere Schulbildung vermittelten.

 

Die Cherokee betrachteten alle Menschen als Brüder, aber was weltliche Dinge betraf, hätten sie sich wohl mit Recht für ältere und klügere Brüder halten können. Aber ihre weniger zivilisierten Nachbarn auf den Great Plains, die Prärie-Indianer, waren noch immer frei, kämpften stolz und starben erbärmlich, als die Cherokee das Leben in der Reservation schon seit drei Jahrzehnten gemeistert hatten. Die Hochburg dieser Prärie-Indianer war das Bisonland zwischen dem kanadischen Saskatchewan-Tal im Norden und Mitteltexas im Süden. Dort lebten die Stämme, die das allgemein verbreitete Bild des amerikanischen Indianers geprägt haben: des eindrucksvollen berittenen Kriegers mit Federkopfschmuck. Die Blackfoot-Indianer auf beiden Seiten der kanadischen Grenze und die Crow, die am Yellowstone River und seinen Nebenflüssen lebten, waren die Ureinwohner
 dieses Gebietes. Seit einigen Jahrzehnten waren sie mit einem mächtigen Stamm aus dem Osten in Berührung gekommen: den Teton-Dakota oder West-Sioux. Irgendwann zwischen 1840 und 1845 wurde bei diesen Dakota ein Junge geboren, der in seiner Kindheit den Namen Crazy Horse (Übermütiges Pferd) erhielt. In den bevorstehenden Kämpfen gegen die U.S. Cavalry sollte es zu zwei wichtigen Gefechten kommen, bei denen die Weißen bis zum letzten Mann aufgerieben wurden. Dem damals geborenen Jungen war es vom Schicksal vorbestimmt, bei beiden zu den Führern der Indianer zu gehören.


Weiter im Süden lebten die nördlichen und südlichen Unterstämme der Arapaho und Cheyenne; dann folgte das Gebiet der Kiowa. Die südlichsten Ebenen wurden von den etwa zehntausend Köpfe zählenden Comanche beherrscht, die sich durch ihre Mobilität und durch ihren Kampfgeist auszeichneten. Dies waren die vier Stämme, die sich im Sommer des Jahres 1840 am Arkansas trafen, um untereinander Frieden zu schließen.

Die Versammlung am Arkansas war das Ergebnis sorgfältiger Überlegungen der Stammesführer. Sie wußten, daß sowohl die geopolitische Situation als auch die Lebensweise der Prärie-Indianer in Flug geraten waren. Dies war eine dynamische Periode, eine Zeit der Bewegung, in der neue Stammesgebiete erobert, neue Feindschaften oder Freundschaften begründet und neue, bessere Handelsbeziehungen geknüpft wurden. Es gab nicht nur Veränderungen in den Beziehungen zwischen Indianern und Weißen, sondern auch zwischen Indianern untereinander. Dies war eindeutig eine Zeit für Diskussionen und Zusammenarbeit, und die erste Voraussetzung dafür war Friede zwischen den Stämmen.


Die Arapaho wären vielleicht allein wegen ihres Nationalcharakters friedensbereit gewesen. An der Seite der mit ihnen verbündeten Cheyenne hatten sie den anderen Stämmen schon viele Schlachten geliefert - aber stets etwas widerstrebend. Beobachter haben sie als freundlich, zuvorkommend, religiös und großzügig geschildert. Bei einigen benachbarten Stämmen hießen die Arapaho Wolken-Leute oder Blaue-Wolken-Leute, was vielleicht ein Hinweis auf die heitere Wesensart dieser Indianer sein sollte.


Die anderen drei Stämme hatten eindeutigere Motive für ihren Wunsch nach Frieden: Gründe, die aus ihrer eigenen Geschichte sowie aus den Ereignissen der jüngsten Vergangenheit zu erklären waren. Die Cheyenne erinnerten sich noch daran, daß ihre Großeltern einst in Minnesota und Westwisconsin als Bauern seßhaft gewesen waren. Sie hatten es versäumt, sich so rechtzeitig wie einige benachbarte Stämme durch Handel Schußwaffen zu beschaffen, und dann vor der Wahl gestanden, sich zu unterwerfen oder nach Westen zu ziehen; sie hatten die zweite Möglichkeit gewählt. Irgendwann im Verlauf ihrer Wanderung hatten sie „den Mais verloren", wie sie es ausdrückten, d. h., sie hatten den Ackerbau fast völlig aufgegeben. Vielleicht hatten sie ihr Saatgut in einem Dürrejahr am Mississippi buchstäblich verloren; wahrscheinlicher ist allerdings, daß sie den Ackerbau bewußt aufgegeben hatten, um ein aktiveres Leben als Bisonjäger, Fallensteller und Händler zu führen.


Im Gebiet der Black Hills, im späteren Bundesstaat South Dakota, wurden die Cheyenne zu typisch nomadischen Plains-Indianern. Im Laufe der Zeit zogen sie nach Süden, wo es reichlich Bisons gab. Teile des Stammes kamen nicht weiter als bis nach Wyoming, andere drangen bis zum Arkansas vor. Die Cheyenne schienen den Krieg dem Frieden vorzuziehen. Und als sie den Arkansas erreicht hatten, dauerte es nicht lange, bis die ersten Konflikte zwischen ihnen und den Kiowa ausbrachen.

Gui Kati (Sleeping Wolf) - Kiowa 1872
Gui Kati (Sleeping Wolf) - Kiowa 1872

Die Kiowa hatten auf ihrer Wanderung vor 50 Jahren teilweise den gleichen Weg wie die Cheyenne zurückgelegt. Sie waren aus dem Bergland am oberen Missouri in die Black Hills gekommen und nach Süden weitergezogen. Ende des 18. Jahrhunderts waren sie auf den südlichen Ebenen mit den Comanche zusammengestoßen, hatten gegen sie Kriege geführt und mit ihnen Frieden geschlossen.


Die Cheyenne lebten zunächst auf vorsichtige Weise in Frieden mit den Kiowa. Die Feindseligkeit entwickelte sich allmählich. Die Cheyenne stahlen ein paar Pferde. Sie brachten hier und da ein paar Kiowa um. Später erschien es ihnen ganz natürlich, den Druck zu verstärken. Sie waren nach Süden bis zum Arkansas vorgestoßen - warum nicht noch weiter? Im Jahre 1837 brachen einige Cheyenne auf, um eindeutig festzustellen, was von den Kiowa als Gegner zu halten war. Eine Elitetruppe von 48 Cheyenne-Kriegern der Bogensehne-Gesellschaft ritt kühn nach Süden und suchte Pferde, Skalpe - und Streit.


Bei den Kiowa gab es einen brillanten Kriegshäuptling namens Sitting Bear, der jetzt etwa 40 Jahre alt war. Er genoß das volle Vertrauen seines Stammes und trug einen langen, dünnen schwarzen Schnurrbart nach Art der alten Kiowa. Sitting Bear, der sich über diese freche CheyenneInvasion ärgerte, führte eine Gruppe von Kiowa gegen die Bogensehne-Krieger. Er stieg südlich der Antelope Hills auf die Eindringlinge herab, wie ein Adler auf ein Erdhörnchen herabstögt, trieb sie in eine Falle und machte sie bis zum letzten Mann nieder. Sitting Bear und seine Krieger skalpierten die Toten und legten sie nackt in einer Reihe nebeneinander auf die Prärie, als wollten sie dadurch eine Zählung erleichtern.


Da keiner entkommen war, wußten die Cheyenne zunächst nicht, was aus dem Bogensehne-Kriegertrupp geworden war. Aber einige Arapaho, diese unverbesserlichen Freunde von jedermann, besuchten die Kiowa, die einen großen Kriegstanz abhielten, und erkannten das Haar ihrer getöteten Freunde; daraufhin erinnerten sie sich an die ältere Freundschaft und ritten nach Norden, um die Cheyenne zu informieren. Die Cheyenne gelangten zu der Überzeugung, es genüge nicht, bloß durch einen Überfall Rache zu nehmen, sondern ihre heiligen gestreiften Pfeile müßten gegen die verhaßten Kiowa ins Feld geführt werden - in einem mit letztem Einsatz geführten Krieg.

Ein ganzes Jahr verstrich, bevor die beiden Stämme aufeinanderprallten. In Bent's Fort tauschten die Cheyenne so viele Steinschloß-Vorderlader ein, wie sie sich leisten konnten (der Preis betrug fünf gute Bisonfelle pro Gewehr). Dann nahmen sie alle Arapaho, die sich auftreiben liegen, als Verbündete mit, ritten nach Süden, um die Kiowa zu jagen, und fanden sie in dem sandigen Hügelland am Wolf Creek, etwa 225 Kilometer nordwestlich des heutigen Oklahoma City. Sie hatten beschlossen, keine Gefangenen zu machen. Einer der Späher, der an diesem Tag im Frühjahr 1838 den Feind entdeckte, war ein Krieger Anfang Dreißig: Black Kettle (Schwarzer Kessel), der in den vor den Cheyenne liegenden unruhigen Jahrzehnten ein bedeutender Häuptling werden sollte.


Die Cheyenne schlugen brutal und anfangs auch mit Erfolg zu. Einige von ihnen lauerten einer Gruppe von 30 Männern und Frauen auf, die auf Bisonjagd waren, und brachten sie um; wenige Stunden später überraschte die Hauptstreitmacht dann eine weit verstreute Gruppe von Frauen, die südlich des Baches nach Wurzeln gruben, und tötete ein Dutzend von ihnen. Aber nun war das Lager alarmiert, und die Kiowa-Krieger schwangen sich auf ihre Pferde, um sich zu verteidigen. Der Kampf entbrannte und wogte stundenlang hin und her. Zwei Häuptlinge der Cheyenne, Gray Thunder (Grauer Donner) und Gray Hair (Graues Haar), fielen gemeinsam mit einer ganzen Anzahl hervorragender Krieger. Einige Angreifer versuchten, in das Lager einzudringen, aber die Kiowa-Frauen hoben in dem sandigen Boden Brustwehren zur Verteidigung aus und fällten Jungbäume, um Barrikaden gegen die Pferde der Angreifer zu errichten.


Viele einzelne Krieger vollbrachten mutige Taten, mit denen sie sich später brüsten konnten, aber den Angreifern aus dem Norden gelang es nicht, das Lager zu erobern. Als die Sonne im Westen den Horizont berührte, brachen sie den Kampf ab, sammelten sich und traten den Rückmarsch nach Norden an. Die Cheyenne würden später von einem Sieg sprechen, aber sie würden auch sagen, sie hätten sich nicht an das richtige Zeremoniell gehalten, als es darum gegangen sei, ihre heiligen Pfeile gegen einen Feind ins Feld zu führen, und dies sei der Grund für ihren begrenzten Erfolg gewesen.

 

Die Schlacht am Wolf Creek war klugen Köpfen auf beiden Seiten eine Lehre. Zwei so wilde und selbstbewußte Indianerstämme wie die Cheyenne und Kiowa konnten nicht in dauerndem Kriegszustand leben, ohne mehr als den seichten Arkansas zwischen sich zu haben. Die Cheyenne waren aus Notwendigkeit heraus Realisten. Sie unternahmen gelegentliche Überfälle auf die Pawnee im Osten, die Shoshoni oder Ute draußen in den Bergen oder die Crow, die noch weiter entfernt in den unwegsamen Gebieten des Nordens lebten; es war jedoch etwas ganz anderes, im Kriegszustand mit einem Feind zu leben, der praktisch den Hinterhof der Cheyenne besetzt hielt und nicht die Absicht hatte, sich daraus zurückzuziehen. Für die Kiowa war die Situation ähnlich unbehaglich.


Beide Seiten hatten noch weitere Gründe für ihren Wunsch nach Frieden. Die Cheyenne wollten mehr Pferde, und ihre südlichen Nachbarn hatten mehr als genug; die Kiowa wollten Zugang zu der Handelsstation der Bents, jener weißen Freunde ihrer Feinde. Die Kiowa glaubten vermutlich, einen länger andauernden Krieg nicht verlieren zu können, solange sie die mächtigen Comanche zu Verbündeten hatten, aber sie waren sich darüber im klaren, dag ein derartiger Krieg große Opfer von ihnen fordern würde. Außerdem waren viele der Kiowa und der mit ihnen verbündeten Comanche im vorigen Winter einer Pockenepidemie zum Opfer gefallen.


Den Comanche fiel in jeder Beziehung die Schlüsselrolle zu. Von den vier Stämmen, die einen Friedensschluß anstrebten, waren sie am zahlreichsten, besagen das größte Stammesgebiet und beherrschten ihre Region offenbar am sichersten. Über ein Jahrhundert lang waren sie die Herren der südlichen Ebenen gewesen - also eines Gebiets, das größer als ganz Neuengland war. Außerdem hatten sie erfolgreich Krieg gegen die Spanier und Franzosen geführt. In jüngster Zeit hatten sie eine neue Bedrohung an ihrer Südostgrenze entdeckt: eine kriegerische Gruppe von Weißen, die sich Texaner nannten.

 

Im Frühjahr 1840 war eine Delegation bedeutender Comanche nach San Antonio geritten, um mit diesen Weißen zu verhandeln und über die Möglichkeit einer Übereinkunft mit ihnen zu diskutieren. Die Texaner hatten von den Indianern die Freilassung von insgesamt 200 Weißen gefordert, die aus texanischen Siedlungen entführt sein sollten. Die Comanche brachten nur zwei ihrer Gefangenen mit: ein Mädchen, das sie schwer gemartert hatten, und einen jungen Mexikaner. Als die Texaner nur dieses mitleiderregende Paar sahen, versuchten sie in ihrem Zorn, die Friedensdelegation bis zur Rückkehr aller Gefangenen als Geiseln festzuhalten. Würdenträger der Comanche ließen sich jedoch nicht ohne Gegenwehr gefangennehmen. Sie wehrten sich tapfer, aber die Weißen, die sich im Vorteil befanden, töteten ein Dutzend Häuptlinge und 20 Krieger.


Die Comanche marterten sofort einige ihrer weißen Gefangenen zu Tode, aber das war nicht genug. Diese Texaner waren offenbar so aggressiv wie sie selbst. Ihnen mußte eine strenge Lektion erteilt werden, damit sie begriffen, wer dieses Land in Wirklichkeit beherrschte. Ein Problem beunruhigte die Comanche, während sie für den Herbst einen großen Kriegszug nach Texas planten: die Cheyenne. Die Comanche wollten keinen Zweifrontenkrieg riskieren. Die Herren der südlichen Ebenen brauchten nicht lange, um eine Entscheidung zu treffen; sie forderten die mit ihnen befreundeten Kiowa auf, bei den Häuptlingen des Cheyenne-Arapaho-Bündnisses wegen eines möglichen Friedensschlusses vorzufühlen. Die Comanche wollten den Kiowa die Verhandlungen überlassen; sie würden nur genügend Abgesandte und Geschenke senden, um zu zeigen, daß sie mit diesem Friedensschluß einverstanden waren.


Ein Unterstamm der Kiowa, die Kiowa-Apache, war wegen seiner Freundlichkeit und Friedfertigkeit bekannt. Eine Abordnung der Kiowa-Apache erschien in dem von Häuptling Bull (Stier) befehligten Arapaho-Lager und teilte Bull mit, die südlichen Stämme seien zu einem Friedensschluß bereit. Während dieses Treffens kam auch ein Kriegstrupp der Cheyenne in das Lager. Die Cheyenne rauchten nicht mit den Kiowa; als einfache Krieger waren sie nicht berechtigt, ihren Stamm auf so formelle Weise zum Frieden zu verpflichten. Aber sie gaben ihren Raubzug auf und kehrten sofort heim, um ihre Häuptlinge zu benachrichtigen. Innerhalb weniger Tage hatten die Cheyenne zugestimmt und ein Treffen arrangiert, das am Arkansas etwa 110 Kilometer östlich von Bent's Fort stattfand.

Chiefs 1865 and 1880 Standing - Red Bear, Young Man Afraid of his Horse, Good Voice, Ring Thunder, Iron Crow, White Tail, Young Spotted Tail. Seated - Yellow Bear, Red Cloud, Big Road, Little Wound, Black Crow
Chiefs 1865 and 1880 Standing - Red Bear, Young Man Afraid of his Horse, Good Voice, Ring Thunder, Iron Crow, White Tail, Young Spotted Tail. Seated - Yellow Bear, Red Cloud, Big Road, Little Wound, Black Crow

An diesem Ort versammelten sich die Häuptlinge der Cheyenne und Arapaho unter Führung von High Backed Wolf, diesem alten Krieger und Diplomaten der Cheyenne. Zwei Tage später trafen die Vertreter des südlichen Bündnisses ein: die Kiowa-Häuptlinge Little Mountain, Sitting Bear, Eagle Feather und andere. Die Häuptlinge ließen sich nach der Begrüßung nebeneinander nieder, und Eagle Feather, der die südlichen Stämme vertrat, reichte eine brennende Pfeife herum. Jeder Mann nahm feierlich einen Zug. Diese Zeremonie bedeutete, daß aller Herzen und Verstand eins waren und daß es keine Konflikte zwischen ihren Absichten gab.


Der nächste Tagesordnungspunkt betraf ein geheimnisvolles Bündel, das in eine Navaho-Decke gewickelt war. Die Kiowa hatten es zu den Verhandlungen mitgebracht, und Häuptling Eagle Feather gab so taktvoll wie möglich bekannt, daß es die Skalpe der Bogensehne-Krieger enthielt. Er bot an, sie den Cheyenne zurückzugeben. High Backed Wolf dachte darüber nach und entschied dann: „Freund, wenn diese Dinge gezeigt und besprochen werden, machen sie nur böses Blut. Wir wollen sie nicht sehen und wollen nicht von ihnen gehört haben. Lag sie aus dem Spiel."


Die Häuptlinge aus dem Süden hatten auch einen Jungen, einen Häuptlingssohn, mitgebracht. Aus Dankbarkeit für die Initiative der anderen Seite boten die Cheyenne jetzt Decken als Geschenke an und türmten sie um den Jungen herum auf, bis nur noch sein Kopf zu sehen war, der aus den Geschenken herausragte. Danach setzten sie sich zu einem Festmahl zusammen und planten eine größere Ratsversammlung, auf der endgültig Frieden geschlossen werden sollte.


Der Häuptling der Kiowa, Little Mountain, forderte die andere Seite auf, den Versammlungsort festzulegen, und stellte nur die Bedingung, er müsse Platz für große Lager und viele Pferde bieten. Die Cheyenne entschieden sich für einen stromaufwärts am gleichen Flug gelegenen Ort, etwa zehn Kilometer unterhalb von Bent's Fort. Die Führer beider Seiten verließen die Vorbesprechung mit der Überzeugung, daß ein guter Friede erzielbar sei. In den folgenden zwei Wochen ritten Boten über die südlichen und zentralen Ebenen, um den einzelnen Gruppen Zeitpunkt und Ort der großen Ratsversammlung mitzuteilen.

 

Die vier teilnehmenden großen Stämme sprachen fünf deutlich voneinander unterschiedene Sprachen. Das machte die Verständigung schwierig, aber nicht ganz unmöglich, da viele Indianer mehrsprachig waren. Fast jeder Häuptling beherrschte mehr als eine Sprache. Durch Gefangene und - in friedlicheren Zeiten - durch Ehen zwischen Angehörigen unterschiedlicher Stämme gab es reichlich kompetente Dolmetscher. Außerdem hatten sie ja die Zeichensprache, die alle Prärie-Indianer beherrschten. Mit einigen hundert Zeichen, von denen viele ihre Bedeutung je nach Kontext änderten, konnte ein Indianer Tausende von Gedanken ausdrücken, die von dem einfachen „ich" oder „mir", zu dem er lediglich auf sich zu zeigen brauchte, bis zu dem komplizierten Ausdruck des Hilfsverbs „sein" reichten. Um „sein" auszudrücken, wurde die geballte rechte Hand mit fester, gleichmäßiger Bewegung vor der Brust nach unten geführt, das bedeutete „sein", „bleiben" oder „sitzen". Wer sich der Zeichensprache bediente, lernte zweifellos, besonders auf die Absichten und Ziele seiner Gegenüber zu achten und sie zu deuten.


Die große Ratsversammlung fand in dem weiten Flugtal statt, und die in den Lagern etwa noch herrschenden Spannungen verschwanden, nachdem die Häuptlinge aus dem Süden zum Festmahl in die eigens dafür gebaute Hütte gekommen waren. Die Häuptlinge rauchten miteinander, hielten Reden, in denen sie Verdienste und Tapferkeit der jeweils anderen priesen, und schmausten. Die Cheyenne hielten sich bei den Fleischgerichten streng an das Protokoll: kein Bär für die Kiowa, für die Bärenfleisch tabu war; kein Hund für die Comanche, für die Hundefleisch eine ebenso große Zumutung gewesen wäre, als hätte man von ihnen verlangt, ihre eigene Großmutter zu verzehren.


Der Höhepunkt des Häuptlingstreffens war erreicht, als der Kiowa Little Mountain aufstand, um die langerwartete Einladung auszusprechen: „Meine Freunde, morgen früh sollt ihr alle - selbst die Frauen und Kinder - in unser Lager herüberkommen. Alle sollen zu Fuß kommen; sie werden alle auf Pferden zurückkehren."

Chief Sitting Bear
Chief Sitting Bear

Am nächsten Morgen planschten die Indianer aus dem Norden durch den Fluß und nahmen erwartungsvoll in langen Reihen Platz: vorn die Männer, dann die Frauen und dahinter die Kinder. Das Geschenkemachen war eine wichtige Institution. Es war eine Form eines zur Schau gestellten Verbrauchs, der den Reichtum des Schenkenden und seine sorglose Verachtung für materiellen Besitz demonstrierte. Aber es entsprang auch wahrer Großzügigkeit und dem Wunsch, Freundschaft zu beweisen. Vor allem zeigte es Einsicht in die menschliche Psyche. Es kann vorkommen, daß Menschen Meinungsverschiedenheiten haben, die sich nicht durch vernünftige Gespräche beilegen lassen - aber wenn eine Seite der anderen ein wertvolles Geschenk macht, verschwinden die Meinungsverschiedenheiten unter Umständen auf magische Weise.


Um die Übergabe der Geschenke zu einer feierlichen, geregelten Zeremonie zu machen, verteilten die Indianer aus dem Süden kleine Stäbe als Zählmarken an die vor ihnen Sitzenden. Der erste, der ihre Reihen abschritt, war Sitting Bear; im linken Arm hielt er ein großes Bündel Stäbe, und sein schwarzes Haar und der lang herabhängende Schnurrbart glänzten vor Fett. Als junger Mann hatte er viermal den erschöpfenden Sonnentanz zum Wohle des Stammes getanzt. In den Augen seiner Stammesbrüder war er seither ein Mann voller Aufrichtigkeit und Würde geblieben, der nun auch ihr Kriegshäuptling geworden war, zu dem sie das größte Vertrauen hatten. Er verteilte seinen Arm voller Stäbe, verschwand dann im Gebüsch und brach weitere ab, um sie ebenfalls zu verteilen; insgesamt verschenkte er 250 Pferde aus seiner eigenen Herde.


Während die Stäbe verteilt wurden, schickten die Kiowa und Comanche ihre Jungen und ihre mexikanischen Sklaven in die Hügel, um sie die Pferde auf die Ebene, wo die Lager standen, treiben zu lassen. Sie trieben Pferde jeglicher Beschreibung und Farbe zusammen, manche nervös, andere folgsam, und diese Tiere drängten sich zwischen den Tipis und den Pappeln zusammen, während die Treiber durcheinanderbrüllten. Die Indianer aus dem Norden versammelten sich bei den Schenkenden, die ihnen Stäbe gegeben hatten, und liegen sich das für sie bestimmte Pferd zeigen. Wer alt genug war, um reiten zu können, erhielt mindestens ein Pferd; manche bekamen sechs oder mehr.

 

High Backed Wolf lud dann alle Indianer aus dem Süden ein, am nächsten Tag auf seine Seite des Flusses zu kommen. Dort drüben servierten die Cheyenne exotische Speisen, die sie aus diesem Anlag im Fort eingetauscht hatten: dampfenden Reis, gekochte Dörräpfel, Eintopfgerichte aus Fleisch und Knochenmark, die Soße mit Maismehl eingedickt - und zum Süßen von Speisen Melasse aus New Orleans.


Nach dem Essen rief High Backed Wolf seinen Leuten zu, sie sollten die Geschenke bringen. Sie brachten Messingkessel, Glasperlen, Decken, Baumwollstoffe und Gewehre. High Backed Wolf erklärte seinen Gästen warnend, seine Krieger wollten die Gewehre, die sie verschenkten, zuvor in die Luft abschießen. Eine Zeitlang herrschte im Lager eine wüste Knallerei, während die Cheyenne die lauten Vorderlader abschossen; dann schenkten sie die Gewehre noch warm und rauchend ihren Besuchern.

So wurde Frieden geschlossen. Einige der Gruppen blieben mehrere Tage im Lager, um hinüber und herüber durch den Flug zu waten, neue Freundschaften zu schließen, ihr Glück beim Spiel zu versuchen und die sportlichen Wettkämpfe fortzusetzen. Die alten Zwistigkeiten und der alte Haß waren ausgerottet.

Die vier Stämme brachen den am Pfeilspitzen-Flug geschlossenen Frieden niemals, aber ihre Übereinkunft war im Grunde genommen mehr ein Nichtangriffspakt als ein organisiertes Bündnis gegen die Mächte, von denen sie alle bedroht wurden.

 

Im Oktober desselben Jahres brachen die Comanche, für die nun das Problem eines etwaigen Zweifrontenkrieges gelöst war, zu ihrem größten Raubzug nach Texas auf. Sie stießen bei diesem Angriff durch weiße Siedlungen hindurch bis nach Linnville an der Golfküste vor, und einige verängstigte Weiße flüchteten sogar in Booten aufs Meer.

 

Der Überfall war als Symbol für zukünftige Entwicklungen bedeutungsvoll; er schien erfolgreich zu sein, und die Indianer erbeuteten zahlreiche Pferde und machten viel andere Beute. Aber als die Räuber sich nach Westen zurückzogen, versammelten die Weißen sich, um die Verfolgung aufzunehmen, und die Texasmiliz fügte den Invasoren in der Schlacht vom Plum Creek schwerste Verluste zu. Die Frage nach dem Sieger würde stets strittig bleiben, aber eines stand fest: Die Comanche konnten den Texanern keine Lehre mehr erteilen.

 

Der im Jahre 1840 geschlossene Frieden zwischen den Indianern der südlichen und zentralen Ebenen war eine sehr menschliche Anpassung an die augenblickliche Situation, aber den Indianern aller beteiligten Stämme stand in Zukunft Schlimmeres bevor als das, was sie an diesem Tag zu bewältigen hatten. Das Schicksal von Sitting Bear, einem edlen Wilden, wie man ihn sich besser nicht vorstellen kann, war dafür beispielhaft.


Er starb 31 Jahre später als Gefangener der U.S. Cavalry durch eine der tapfersten und trotzigsten Taten, die ein Mensch vollbringen kann, indem er seine Bewacher buchstäblich dazu zwang, ihn zu erschießen. Durch seinen Tod bezeugte er stumm die Unfähigkeit der Indianer, die Entwicklung der Geschichte des amerikanischen Westens zu beeinflussen, aber hier am PfeilspitzenFlug hatte er in gewisser Beziehung bereits Geschichte gemacht. Er schritt in der Sommersonne an den im Flugsand aufgereihten Indianern entlang: feierlich, würdevoll, ein Halbgott mit Läusen. Er hatte viele ihrer Brüder ermordet, und nun schenkte er ihnen 250 kostbare Pferde.

Die weite Welt der Pferde-Indianer

Ein Prärie-Indianer verbrachte fast sein ganzes Leben auf dem Rücken von Pferden. Als Kind saß er vor seiner Mutter im Sattel, wenn das Lager verlegt wurde. Später ritt er zur Jagd und in den Kampf. Viel später konnte er vielleicht damit rechnen, seinen Lebensabend als reicher und ehrwürdiger Besitzer einer großen Pferdeherde zu verbringen.
Als Forschungsreisende erstmals auf diese berittenen Indianer stießen, waren sie von den Reitkünsten der Prärie-Indianer so beeindruckt, daß sie sie die Pferde-Indianer nannten. Diese großartigen Reiter hatten die ersten Pferde gegen Ende des 17. Jahrhunderts gesehen, als die Spanier sie aus Europa in den Südwesten Nordamerikas brachten. Zuvor hatten die Indianer als Bauern und Gelegenheitsjäger am Rande der Plains gelebt und sich bei der Arbeit und auf Reisen zu Fuß fortbewegt.

In diesem weitläufigen Sioux Lager wimmelte es von Pferden, von denen einige nur zur Jagd oder im Krieg verwendet wurden, während andere den Besitz ihrer Eigentümer auf einfachen Schleppgestellen oder später auf Planwagen transportierten
In diesem weitläufigen Sioux Lager wimmelte es von Pferden, von denen einige nur zur Jagd oder im Krieg verwendet wurden, während andere den Besitz ihrer Eigentümer auf einfachen Schleppgestellen oder später auf Planwagen transportierten

Die Prärie-Indianer bekamen ihre ersten Pferde durch Diebstähle und Tauschgeschäfte in den spanischen Niederlassungen des Südwestens. In der Mitte des 18. Jahrhunderts besaßen Stämme wie die Comanche riesige Pferdeherden und wagten sich auf ihnen in die Weiten der Great Plains hinaus, die zuvor nur selten erforscht oder durchquert worden waren, um Bisons zu jagen. Nun gaben viele Stämme ihre festen Dörfer auf und wurden nomadische Jäger. Sie folgten den Zügen der Bisonherden, lebten in leicht abzubauenden Tipis und führten eine ganz neue, von dieser Mobilität bestimmte Lebensweise ein.

 

Bei vielen Stämmen dauerte die Hochblüte der Pferdekultur kaum ein Jahrhundert lang; ein berittener indianischer Krieger war ein unangenehmer Gegner für die Weißen, die sich deshalb daran machten, ihn auszurotten. Aber während der kurzen Zeitspanne, in der diese Indianer die Plains und Prärien beherrschten, nützten sie dieses eine Geschenk des weißen Mannes gründlich aus, um ein abenteuerliches, abwechslungsreiches Leben als Jäger, Reiter und Krieger zu führen.

 

Irgendwann im Herbst 1787 bestieg eine Kriegertruppe von 250 Blackfoot-Indianern ihre Pferde in Westkanada und ritt aus dem Lager. Diese Gruppe sei aufgebrochen, schrieb David Thompson, ein bei den Blackfoot lebender Agent der Hudson's Bay Company, „um die Schlangen-Indianer zu bekriegen". Aber die Schlangen (Shoshoni) waren nirgends zu finden, und die Blackfoot „ritten weiter als gewöhnlich, weil sie nicht unverrichteter Dinge heimkehren wollten". Nach einem Ritt von fast 2500 Kilometern entdeckten sie schließlich eine Anzahl Spanier, die eine lange Kolonne von Tragtieren - Pferden und Mauleseln - führten. Die Indianer kamen ungesehen heran und sprengten plötzlich mit wildem Kriegsgeschrei auf die Spanier los. Den Spaniern blieb keine andere Wahl, als zu fliehen, und sie „überließen die Pferde und Maulesel den Indianern".


Die Krieger achteten nicht weiter auf die Traglasten der erbeuteten Tiere - „eine schwere Ladung weißen Gesteins". Sie warfen sie rasch ab, indem sie die Gurte der Traglasten durchschnitten, und machten sich mit ihren Beutetieren auf den langen Heimritt nach Norden. Ihr Raubzug war sehr erfolgreich gewesen. Sie kamen mit etwa 30 Pferden, einem Dutzend Mauleseln und einer Anzahl Zügeln und punzierten Ledersätteln in das Lager zurück, in dem Thompson lebte.

Shoshonen auf Pferden
Shoshonen auf Pferden

Die Blackfoot-Krieger wußten nicht - und hätten sich auch nichts daraus gemacht -, daß das weiße Gestein, das sie auf dem Boden verstreut zurückgelassen hatten, Silbererz war. Für die Kriegerstämme der Plains war das Pferd viel mehr wert als Silber. Diese Nomadenvölker, die die riesigen Entfernungen der Great Plains zu überwinden hatten, lebten durch das Pferd. Auf ihren Reittieren folgten sie mühelos den wandernden Bisonherden, erbeuteten bei Überfällen alles mögliche und trieben an Orten, die Hunderte von Kilometern von ihren Stammesgebieten entfernt waren, Handel mit anderen Stämmen oder Weißen. Das Pferd stand so sehr im Mittelpunkt der Kultur der Prärie-Indianer, daß der Reichtum eines Stammes oder des einzelnen an der Zahl seiner Pferde gemessen wurde, und die Pferde wiederum beschränkten die Größe der Gruppen eines Stammes, weil sie jeweils bestimmte Weideflächen brauchten.

 

Aber zum Zeitpunkt des oben geschilderten Überfalls der Blackfoot-Indianer war das Pferd noch vergleichsweise neu auf den Great Plains; noch nicht einmal 150 Jahre war es hier heimisch. In Nord- und Südamerika hatte es kein einziges Pferd gegeben, bis der spanische Konquistador Hernando Cortez im Jahre 1519 mit zehn Hengsten und sechs Stuten in Mexiko landete. Nur wenige Stämme versuchten, ihr Leben auf der weiten Prärie zu fristen. Und diese wenigen waren arm und oft hungrig. Da sie sich nur zu Fuß fortbewegten, konnten sie nur wenig mitführen. Stämme wie die Shoshoni und die Blackfoot-Indianer im Norden versuchten, sich hauptsächlich durch Bisonjagd zu ernähren.


Andere, zum Beispiel die Apache im Süden, lernten allmählich, sich durch primitive Landwirtschaft zu ernähren. Diese jagenden Indianer tauschten Nahrungsmittel wie Mais jedoch häufiger von den Pueblo-Indianern des Südwestens oder den Stämmen am Ostrand der Plains ein. Das Pferd bewirkte auf allen diesen Gebieten rasche Veränderungen. Als immer mehr Spanier eintrafen, um das Gebiet des heutigen Mexikos und des Südwestens der heutigen Vereinigten Staaten auszubeuten, brachten sie zahlreiche Pferde als Reit- und Tragtiere mit. Diese Tiere waren hervorragender Abstammung - Kreuzungen aus Arabern, Berbern und Andalusiern - und vermehrten sich rasch.


Zu Beginn des 17. Jahrhunderts drangen die Spanier noch immer weiter nach Norden vor, bauten Bodenschätze ab, betrieben Viehzucht und gründeten Missionsstationen. Ihre Pferde begleiteten sie dabei, und die Indianer lernten die neuen Tiere erstmals in den spanischen Niederlassungen kennen. Den Spaniern war es grundsätzlich verboten, Indianern Gewehre oder Pferde zu schenken oder zu verkaufen, denn die Konquistadoren wußten, wie wichtig der ausschließliche Besitz dieser Kriegsmittel für ihre Eroberungen war. Aber sie ließen einige Indianer als Pferdeknechte, Hirten und Stallburschen für sich arbeiten und lehrten sie absichtlich oder durch ihr Beispiel reiten. Wenn andere Stämme in diese Gebiete kamen, um Handel zu treiben oder in den wohlhabenden Pueblos ihrer neugegründeten Bauerndörfer zu betteln, erfuhren sie auch von den neuen Tieren.

 

Obwohl der weiße Mann versuchte, sein Monopol zu bewahren, führte das spanische System der Viehzucht mit großen Herden auf freien Weiden dazu, daß viele Tiere sich verliefen. Zahlreiche dieser Tiere wurden nie mehr eingefangen - sie waren die Urahnen der wilden Mustangs des Westens -, aber eine gewisse Anzahl fiel unweigerlich Indianern in die Hände. Sobald die Indianer einige Pferde besaßen und ihre Möglichkeiten zu verstehen begannen, überfielen sie die spanischen Herden und wurden um so kühner, je beweglicher sie durch den Besitz weiterer Pferde wurden. Als sich die Pueblo-Indianer im Jahre 1680 gegen ihre weißen Herren erhoben und sämtliche Spanier in New Mexico umbrachten oder aus diesem Gebiet vertrieben, blieben mehrere tausend Pferde herrenlos zurück und konnten von jedem Indianer eingefangen werden, der Gelegenheit dazu und den nötigen Ehrgeiz hatte.

Von Indianern gezüchtete Pferde gelangten aus dem Südwesten auf zwei Hauptwegen nach Norden (Karte gegenüber). Nur 40 oder 50 Jahre nach der Revolte der Pueblo-Indianer besaßen sowohl die Shoshoni im Norden als auch die Comanche, die von den Rocky Mountains aus nach Süden auf die Plains vordrangen, eine Anzahl von Pferden, und die Comanche bedrohten nicht nur die Niederlassungen der Spanier, sondern auch das Stammesgebiet der Apache.

 

Während ein Stamm nach dem anderen zum erstenmal Pferde zu Gesicht bekam, reagierten seine Angehörigen erstaunt und verwundert, denn die einzigen domestizierten Tiere, die sie kannten, waren ihre eigenen räudigen Hunde. Thompson sprach mit einem alten Krieger, der sich daran erinnerte, wie seine Gruppe das erste Pferd gesehen hatte. Das war in seiner Jugend um 1730 gewesen - nur ein halbes Jahrhundert vor dem berühmten Uberfall auf Santa Fe -, als es auf den Plains erst wenige Pferde gab. „Wir hatten große Lager an der Grenze des Gebiets der Schlangen-Indianer aufgeschlagen", berichtete der alte Mann, „jagten Bisons und Hirsche, die dort zahlreich waren, und wollten gern ein Pferd sehen, von dem wir schon so viel gehört hatten. Als die Blätter fielen, hörten wir endlich, eines sei durch einen Pfeilschuß in den Bauch getötet worden, aber der Schlangen-Indianer, der es geritten hatte, hatte fliehen können.

 

Viele von uns gingen hin, um es zu sehen, und wir bewunderten es alle. Es erinnerte uns an einen Hirsch, der sein Geweih verloren hatte, und wir wußten nicht, wie wir es nennen sollten. Aber da es wie der Hund, der unsere Sachen schleppt, ein Sklave des Menschen war, haben wir ihm den Namen Großer Hund gegeben."

Obwohl das Pferd von vielen Indianern auf ähnliche Weise bewundert wurde, war es nicht für jeden Stamm gleichermaßen attraktiv. Die Pueblo-Indianer behielten ihre größtenteils pferdelose Lebensweise bei, obwohl sie zu den ersten Stämmen gehörten, die den Wert des Pferdes kennenlernten. Da sie in festen Dörfern mit gesicherter Nahrungsmittelversorgung lebten, brauchten sie keine Pferde und betrachteten sie vor allem als Handelsware.

 

Für die Apache bedeutete das Pferd mehr. Die Apache stahlen Pferde von anderen Indianern und den Spaniern, benützten sie zu Uberfällen auf seßhaftere Stämme und kämpften beritten gegen Stämme wie die Comanche, die von Norden her in ihr Gebiet eindrangen. Trotzdem war ihre Zuneigung zu dem neuen Tier nie sonderlich tief oder dauerhaft. Tatsächlich waren die Apache ebenso bereit, ein Pferd zu essen, wie es zu reiten - und sie hatten ihre Gründe dafür.

 

Vor allem waren viele von ihnen bis zum Jahre 1750 in einige der trockensten Gebiete des Südwestens abgedrängt worden: in ein Ödland mit felsigen Bergen, erodierten Felsabstürzen und sandigen Ebenen, das ihnen wenig Nahrung bot. Aus Notwendigkeit heraus lernten sie rasch, in diesem unwirtlichen Gebiet zu leben, es zu Fuß wie Kojote oder Berglöwe zu durchstreifen und sich ihm so anzupassen, daß sie beinahe unsichtbar waren.

 

Wie ein bewundernder Kommentator es ausdrückte, wurden sie „einer der zähesten menschlichen Organismen, die die Welt je gesehen hat". Unter diesen Umständen war das Pferd oft als Schlachtvieh nützlicher denn als Transportmittel.

 

Es gab noch einen weiteren Grund - subtiler, aber nicht weniger stichhaltig -, warum die Apache nicht vollständig auf das Pferd vertrauten. Sie waren ihrem ganzen Wesen nach nicht so bombastisch wie andere Stämme. Es war nicht ihre Art, sich dem Feind mit bunter Kriegsbemalung auf dem Gesicht und hoch zu Roß zu zeigen; in ihrem rauhen Land zogen sie es oft vor, heimlich und listig zu Fuß anzugreifen.

 

Im Gegensatz dazu kamen andere Stämme - Blackfoot, Sioux, Cheyenne, Arapaho, Kiowa und Comanche - nicht nur sofort mit Pferden zurecht, als seien sie geborene Reiter, sondern schwangen sich auch mit Hilfe der Pferde zu den Herren der Great Plains auf. Man kann sogar sagen, daß das Pferd den nomadischen Prärie-Indianer, wie ihn weiße Amerikaner im 19. Jahrhundert kennenlernten, in Wirklichkeit erst geschaffen hat: beritten, mobil und wild - ein stolzer Krieger, dem Ackerbau verhaßt war und der die Jagd auf Wild und den Angriff gegen einen Feind gleichermaßen genoß.

 

Viele Stämme, die sich in der Vergangenheit nur mühsam als Jäger oder Bauern durchgeschlagen hatten, ritten auf dem Pferd in ein neues Leben.


Beritten konnten die Indianer Wild so wirkungsvoll verfolgen, daß sie reichlich Fleisch und Felle erbeuteten. Sie konnten ganze Dörfer zusammenpacken und transportieren. Sie konnten mit anderen Indianern und weißen Männern, die häufig Hunderte von Kilometern von ihnen entfernt lebten, Handel treiben. Sie konnten rivalisierende Stämme überfallen und ausplündern.

 

Das Pferd veränderte auch die gesellschaftlichen Strukturen innerhalb der Stämme, indem es manche Leute reich und mächtig machte, während andere arm und schwach blieben. Da der Horizont nicht mehr durch die Strecke begrenzt wurde, die ein Indianer zu Fuß zurücklegen konnte, ließe sich sogar behaupten, das Pferd habe die Psyche der Prärie-Indianer geändert. Ein Mann, der spürt, daß ein Tier ihm gehorcht, entwickelt ein gewisses Machtbewußtsein. Er wird zu einem Araber, einem Mongolen, einem Eroberer. Er wird dadurch zu einem Prärie-Indianer. Die durch das Pferd bei vielen Stämmen bewirkten Veränderungen waren vergleichsweise ebenso groß wie jene, die Dampfkraft und Elektrizität eines Tages dem weißen Mann bringen würden.

Deshalb ist es nicht überraschend, daß einige Stämme das Pferd mit religiöser Ehrfurcht betrachteten. Für die Sioux war es ein Medizinhund, die Comanche bezeichneten es als Gotthund. Andere Stämme gebrauchten ähnliche Ausdrücke, die das Pferd als geheimnisvoll oder heilig kennzeichneten. Aber zu den bedeutungsvollsten indianischen Ausdrücken gehörte die nüchterne Bezeichnung Großer Hund, die das Pferd bei den Blackfoot-Indianern erhielt, denn sie deutete den wahren, praktischen Wert dieses Tieres an. Bis das Pferd in die neue Welt gelangte, war der Hund das einzige Tragtier des Indianers gewesen - abgesehen von Indianerinnen, die alles schleppten, was er nicht tragen konnte. Und das Pferd war natürlich ein viel größeres und stärkeres Tragtier als der Hund. Die Sarsi waren in ihrer Namensgebung sogar noch präziser. Das Pferd hieß bei ihnen Sieben Hunde, wodurch die Arbeitsleistungen von Pferd und Hund andeutungsweise miteinander verglichen wurden. Der indianische Arbeitshund, der in Größe und Aussehen Ähnlichkeit mit einem großen Grauwolf hatte, konnte etwa 23 Kilogramm auf dem Rücken tragen oder ungefähr 35 Kilogramm mit einem Travois oder Schleppgestell ziehen. Mit dieser Last kamen die Hundegespanne pro Tag acht bis zehn Kilometer weit. Ein Pferd konnte 90 Kilogramm tragen oder eine 135 Kilogramm schwere Last mit dem Travois schleppen und damit 15 bis 20 Kilometer pro Tag zurücklegen. Die Arbeitsleistungen von Pferd und Hund standen also annähernd in dem Verhältnis 7 : 1.

 

Eine überraschende Verbesserung, die das größere Zugtier fast augenblicklich bewirkte, betraf die Grölte der Unterkünfte der Indianer. In der Vergangenheit hatten die Gewichtsbeschränkungen es unmöglich gemacht, einen großen, schweren Tipiüberzug oder längere Stangen für das Tipi zu transportieren. Deshalb waren die Tipis klein und eng gewesen - nicht höher als zwei Meter. Als die Indianer nun größere Tragtiere hatten, konnten sie es sich leisten, vier bis fünf Meter hohe Tipis zu bauen, die wesentlich mehr Platz boten. Auch für die sehr alten oder pflegebedürftigen Stammesangehörigen wirkte das -Pferd sich sofort segensreich aus. Früher hatte man alle jene zurücklassen müssen, die nicht mehr allein gehen konnten. Jetzt konnten die Alten und Kranken auf von Pferden gezogenen Travois mitgenommen werden.

 

Obwohl solche Auswirkungen auf Alltagsprobleme das Leben der Prärie-Indianer grundlegend beeinflußten, waren andere Veränderungen dramatischer. Eine betraf die Rolle des Pferdes als Hilfsmittel bei Raubzügen - und als begehrte Beute. Der Diebstahl eines Gotthundes bei einem Überfall brachte dem Räuber nicht nur augenblicklich neuen Reichtum, sondern der Pferdediebstahl entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einem vielbewunderten Männlichkeitsbeweis. Die Comanche waren besonders geschickte Pferdediebe. Die Pferde der Apache und Spanier waren ihre bevorzugte Beute. Ein zeitgenössischer Beobachter schrieb, ein Comanche könne in ein „Biwak kriechen, in dem ein Dutzend Männer schlafen, von denen jeder sein Pferd mit einem Lasso am Handgelenk festgebunden hat, den Strick in weniger als zwei Meter Abstand von dem Schlafenden abschneiden und das Pferd wegführen, ohne eine Menschenseele zu wecken".


Die Comanche führten oft großangelegte Raubzüge durch, zu denen so viele Krieger aufbrachen, daß sie das Zielgebiet klar beherrschten. Bei solchen Unternehmungen richteten sie ein Kriegslager ein und schwärmten dann aus, um Pferde zusammenzutreiben und Beutestücke fortzuschleppen. Diese Überfälle ereigneten sich oft in dem spärlich besiedelten Gebiet an der Nordgrenze Mexikos. Ein Reisender, der im Jahre 1846 von Mexico City nach Santa Fe unterwegs gewesen war, berichtete über die Auswirkungen dieser Raubzüge: „Ich durchquerte tagelang ein Gebiet, das aus diesem Grunde völlig verlassen war, und kam durch zerstörte Dörfer, die seit Jahren keines Menschen Fug mehr betreten hatte." In einem einzigen Jahr „sind schon mehr als zehntausend Pferde und Maultiere gestohlen worden, und es gibt kaum eine Hazienda oder Ranch an der Grenze, die nicht heimgesucht worden wäre, und überall sind die Leute ermordet oder gefangengenommen worden".

Die Indianer hingen so an ihren Pferden, daß sie ihnen vorsangen und Darstellungen der im Kampf getöteten Tiere schnitzten. Die roten Löcher dieser Figur, die von einem Sioux stammt, stellen Wunden des Tieres dar.
Die Indianer hingen so an ihren Pferden, daß sie ihnen vorsangen und Darstellungen der im Kampf getöteten Tiere schnitzten. Die roten Löcher dieser Figur, die von einem Sioux stammt, stellen Wunden des Tieres dar.

Auf einem denkwürdigen Raubzug drangen die Comanche gemeinsam mit den ihnen verbündeten Kiowa so tief nach Mexiko ein, daß sie Vögel mit buntem Gefieder und „kleine Männer mit Schwänzen" sahen, die in den Bäumen herumkletterten - was darauf schließen läßt, dag diese Krieger die Halbinsel Yucatän erreicht haben könnten.


Als das Pferd größere Verbreitung fand und die Raubüberfälle häufiger wurden, glichen die Plains einem Ozean mit hundert Piratenschlupfwinkeln, aus denen kühne Männer Vorstöße unternahmen, um die Ahnungslosen auszuplündern. Es gab kein allgemeingültiges Gesetz, denn dort lebten viele Stämme, die jeweils eigene Gesetze hatten. Cheyenne raubten Kiowa aus; Kiowa überfielen Pawnee; Sioux beraubten Crow. Selbst nachdem die räuberischen Apache von den Plains vertrieben worden waren, benützten sie unter bestimmten Umständen Pferde für ihre Raubzüge. Der spätere Häuptling der Apache Geronimo berichtete in seiner Autobiographie von einem Raubzug, der im Jahre 1865 von seinem Stützpunkt in Arizona aus unternommen wurde: „Bisher waren wir stets zu Fuß unterwegs gewesen; wir waren es gewöhnt, zu Fuß zu kämpfen; außerdem konnten wir uns leichter verbergen, als wenn wir beritten waren. Aber diesmal wollten wir mehr Vieh, und es war schwierig, es zu treiben, solange man selbst zu Fug war." Die Apache kamen aus einem Gebiet im Südwesten von Tombstone, Arizona, nach Sonora und ritten nach Süden bis zur Mündung des Yaqui River weiter. Dann bogen sie nach Norden ab, „griffen mehrere Siedlungen an und erbeuteten reichlich Vorräte".

 

Von allen diesen kriegerischen Stämmen benützte kein Volk das Pferd wirkungsvoller und beständiger als die Comanche. Sie lebten vielleicht mehr als jedes andere Volk von dem Gotthund und schafften mit ihm alles, was die übrigen Stämme fertigbrachten - aber in den meisten Fällen etwas besser. Etwa seit 1750 bis weit in das 19. Jahrhundert hinein beherrschten Comanche zu Pferd die südlichen Plains und vertrieben schwächere Stämme, wie es die Cheyenne, Sioux und andere Stämme im Norden taten.

 

Spanien konnte seine Missionsstationen und presidios (befestigte Niederlassungen) in den Waldgebieten des Ostens oder durch den trockenen Südwesten bis hin zum Pazifik errichten, aber es konnte sich im Süden der Great Plains nur an vereinzelten Orten halten und nicht weiter nördlich als San Antonio vordringen. Ab dort waren die Comanche die Beherrscher der südlichen Ebenen.

 

Der Maler und Forschungsreisende George Catlin, der im Jahre 1834 die Reitkünste der Comanche gesehen hatte, zollte ihnen dieses Lob: „Ich bin ohne Zögern bereit, die Comanche als die außergewöhnlichsten Reiter zu bezeichnen, die ich bisher auf meinen Reisen gesehen habe, und ich bezweifle sehr, daß sie von irgendeinem Volk auf der Welt übertroffen werden können. Ein Comanche zu Fuß ist außerhalb seines Elementes und ist fast so unbeholfen wie ein Affe auf dem Boden, wo er sich nicht an Äste klammern kann; sobald er jedoch sein Pferd zu fassen bekommt, wird sein Gesicht sogar schön, und er fliegt wie ein gänzlich anderes Wesen elegant davon."

 

Die Comanche und andere Prärie-Indianer stellten fest, daß das Pferd sie zu wesentlich erfolgreicheren Jägern machte. Es gab ihnen die Möglichkeit, den Bison so intensiv zu jagen wie nie zuvor.


Die durch die Einführung des Pferdes gewonnene neue Mobilität förderte auch den Handel über größere Entfernungen. Der Handel zwischen den Stämmen florierte schon seit undenklichen Zeiten - lange vor der Ankunft des weißen Mannes oder des Pferdes. Beispielsweise gingen Meeresmuscheln, Lachsöl und Klippfisch von der Nordwestküste durch zahlreiche Hände und gelangten schließlich über die Rocky Mountains, um dort gegen begehrte Waren wie Adlerfedern und den dar aus hergestellten prächtigen Kriegsschmuck eingetauscht zu werden. Ein praktischer Artikel, den die Prärie-Indianer des Südens und Ostens gleichermaßen brauchten, waren die Stangen für das Gerüst ihrer Tipis.

 

Diese Stangen mußten sechs bis acht Meter lang und leicht genug sein, um von einem Pferd getragen zu werden, andererseits mußten sie auch stark genug sein, um das Gewicht des Bisonhautüberzugs des Tipis tragen zu können. Im Stammesgebiet der Comanche gab es fast keine geeigneten Bäume, aber in den nördlichen Rocky Mountains wuchsen schlanke, gerade Stangen beinahe schon gebrauchsfertig heran: die später so genannten Zeltstangen-Fichten.


In der Vergangenheit hatten diese Tauschgeschäfte zwischen den Regionen der Plains häufig Monate oder Jahre gedauert. Sobald das Pferd allgemein eingeführt war, erhöhte sich der Handel um ein Zehn- oder Mehrfaches, und das Pferd selbst wurde zu einem Handelsartikel (S. 62). Zu den von mehreren Stämmen besuchten Haupthandelszentren des Südwestens gehörte Taos, wo die Pueblo-Indianer schon früher Märkte abgehalten hatten, deren Angebot später von den Spaniern um europäische Waren erweitert wurde. Die Comanche kamen zu Beginn des 18. Jahrhunderts erstmals zum Markt nach Taos. Wie andere Plains-Stämme brachten sie getrocknetes Fleisch, Tierhäute, Talg und Salz mit, um dafür Mais, Kürbisse, Melonen, Decken, Keramik und andere Waren einzutauschen. Gleichzeitig wurden weit im Nordosten die Dörfer der Mandan, Hidatsa und Arikara zu ähnlich wichtigen Handelszentren.

Eine Indianerfamilie verläßt ihr Lager bei Fort Keogh, Montana. Der aus Holz gebogene Käfig links verhinderte, daß die Kinder von der Plattform fielen.
Eine Indianerfamilie verläßt ihr Lager bei Fort Keogh, Montana. Der aus Holz gebogene Käfig links verhinderte, daß die Kinder von der Plattform fielen.

Pferdekraft zur Beförderung von Menschen und Hausrat

Ein parfleche , den das Pferd auf der Seite trug, war mit getrockneten Nahrungsmitteln vollgestopft;
Ein parfleche , den das Pferd auf der Seite trug, war mit getrockneten Nahrungsmitteln vollgestopft;

Eine Gemeinschaft nomadischer PrärieIndianer, die einer großen Bisonherde folgte oder vor Feinden flüchtete, mußte oft in großer Eile packen und aufbrechen. Kleidung, Waffen, Haushaltsgeräte und selbst die Tipis mußten auf Pferderücken oder die Plattformen der Travois verladen werden. Dazu war geschicktes Packen erforderlich.
Bevor das Pferd die Plains eroberte, konnte ein Lager pro Tag nicht mehr als zehn Kilometer weit verlegt werden. Die mitgeführten Gegenstände waren auf das beschränkt, was die Frauen und Hunde tragen konnten (Männer trugen Waffen wegen eines etwaigen Überfalles).

Ein von Pferden transportiertes Lager dagegen konnte im Notfall 50 Kilometer am Tag zurücklegen. Ein Tipi, das früher nicht mehr als eineinhalb bis zwei Meter hoch gewesen war, konnte nun viereinhalb Meter hoch und dennoch transportabel sein - obwohl zu seiner Beförderung drei Pferde nötig waren: zwei für die etwa ein Dutzend Stangen und eines für den schweren Uberzug aus Bisonfell. Ein reicher Häuptling, dessen hochaufragendes Tipi von etwa 30 Stangen getragen wurde, die jeweils zehn Meter lang waren, brauchte 15 Pferde für die Gerüststangen.

Im Laufe der Zeit kam es soweit, daß die Besitztümer eines Indianers von der Zahl der Pferde bestimmt wurden, die er besaß. Und diese Unterschiede in bezug auf materiellen Besitz waren nie offensichtlicher als in dem Augenblick, in dem das Lager aufbrach. Im Gefolge eines reichen Mannes saß seine Lieblingsfrau auf einem Pferd, das reichverzierte Sattel- und Packtaschen trug, und führte eine lange Kolonne weiterer Pferde mit den Besitztümern der Familie an. Die zum Mittelstand zählenden Familien folgten - mit weniger Pferden und vielleicht einigen Hunden, die mit tragen halfen. Und schließlich kam die Frau des armen Mannes: Sie stapfte durch den Staub hinter dem einen überladenen Pferd der Familie her.

 

Ein Travois oder Schleppgestell bestand hauptsächlich aus zwei langen Stangen, die hinter dem Pferdekopf mit einer kräftigen Bisonsehne über Kreuz zusammengebunden wurden. Um das Gestell zusammenzuhalten, wurden Streifen aus Rohhautleder um die Stangen gewickelt und mit den Querstäben verknotet. Travois wurden von Frauen hergestellt, und ihre Besitzerinnen waren stolz auf ihre handwerkliche Geschicklichkeit.

Eine Frau, die nicht alles Bisonhaar von den Lederstreifen abschabte oder nicht auf gleichmäßige Breite achtete, galt allgemein als schlechte Hausfrau.

 

Im 19. Jahrhundert kamen die Indianer auch zu den Handelsstationen, die von Weißen errichtet worden waren, die vom Mississippi aus nach Westen vorgedrungen waren, um mit Pelzen und anderen einheimischen Waren zu handeln. Zwischen dem 17. und dem frühen 19. Jahrhundert boten die Indianer beispielsweise vor allem Biberpelze an, die auf dem europäischen Markt sehr begehrt waren. In den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts, als die Biber seltener wurden und der modische Geschmack sich änderte, kauften weiße Händler in Handelsstationen wie Bent's Fort am Arkansas gewaltige Mengen von Bisonfellen auf, die es jetzt reichlich gab, weil die berittenen Cheyenne und Arapaho mehr Tiere als zuvor erlegen konnten.


Gleichzeitig gab es einen schwunghaften Handel mit gestohlenen Pferden und Maultieren, von denen viele spanische, mexikanische und texanische Brandzeichen trugen. Manche dieser Tiere trugen sogar die Brandzeichen weit entfernter kalifornischer Ranches. Gelegentlich brachten die Indianer auch Wildpferde mit, aber die Händler in Bent's Fort kauften ohne Zweifel mehr als eine Herde auf, deren Diebstahl einer Familie das Leben gekostet hatte.


Als Gegenleistung erhielten die Indianer eine Vielzahl von Produkten der Weißen, deren Auswirkungen auf das Leben der Prärie-Indianer in einigen Fällen mit denen des Pferdes vergleichbar waren. In Handelszentren auf den nordöstlichen Ebenen sowie in Taos und anderen Pueblos konnten die Indianer wundervoll nützliche, dauerhafte Gegenstände wie Äxte aus Stahl, eiserne Pfeilspitzen, Lanzenspitzen und geschmiedete Messer eintauschen.


Früher hatten die Indianer Steinmesser benutzt, um die Bisons abzuhäuten, die zähe Haut der Tiere zu zerschneiden und das Fleisch in Streifen zu schneiden, bevor es als Proviant gedörrt wurde. Gute Steinmesser liegen sich relativ rasch herstellen und schnitten ordentlich, aber sie waren spröde und eigneten sich weniger für feine Schnitte durch Fell und Fleisch als Stahlmesser.

 

Ein weiteres Erzeugnis des weißen Mannes, das noch eine tiefgreifendere Wirkung hatte, war das Gewehr, das die Indianer von französischen und englischen Händlern erhielten. Die frühen Zündhütchen-, Lunten- und Steinschloggewehre liegen sich auf einem Pferderücken schlecht laden und abschießen; tatsächlich befand sich ein Bogenschütze erheblich im Vorteil, was die Feuergeschwindigkeit betraf, denn er konnte 20 Pfeile verschießen, bis der Musketier nachgeladen hatte. Ein Frontiersman stellte fest, er würde sich „auf eine Entfernung von 100 Metern ebenso gern oder ungermit einer Muskete beschießen lassen wie von einem dieser Indianer mit seinem Pfeil und Bogen". Trotzdem besaß die neue Waffe selbst in ihrer Anfangszeit einen entscheidenden Vorteil: Ein mit Schußwaffen ausgerüsteter Stamm konnte einen ohne sie kämpfenden Stamm besiegen, weil diese neue Waffe durch Schußknall und Pulverdampf einen Überraschungseffekt erzielte und sehr wirksam war, wenn der Schuß traf. Daher war es das Gewehr im Zusammenwirken mit dem Pferd, das die Comanche Sieger über die Apache bleiben ließ. Und als später Hinterlader und Repetiergewehre eingeführt wurden, konnte der Stamm, der sie zuerst erhielt, aus beinahe jedem Kampf als Sieger hervorgehen.

Ein unseliges Ergebnis des Handels mit den Weißen war die Versorgung mit Schnaps, nach dem viele Indianer geradezu süchtig wurden. In späteren Jahren benützten fast alle englischsprachigen Händler Schnaps als Mittel zur Kundenbeeinflussung, obwohl es Bestimmungen gab, nach denen Verkauf und Ausschank von Spirituosen an Indianer verboten war. Die Händler an der Grenze rechtfertigten ihr Verhalten mit dem uralten Argument, daß es alle täten. Während ein Krieger nach dem anderen von Whiskey oder Rum betäubt zusammenbrach, taten viele Weiße die Konsequenzen mit einem Schulterzucken ab. Es ist jedoch zweifelhaft, ob viele weiße Männer größere Mengen des Getränks vertragen hätten, das einige Händler Ende des 19. Jahrhunderts ausschenkten. Ein Rezept erforderte: 1 Liter reinen Alkohol, 1 Pfund schwarzen Kautabak, 1 Flasche Jamaika-Ingwer, 1 Handvoll roten Pfeffer, 1 Liter schwarze Melasse und Missouriwasser nach Belieben. Der Händler hoffte dabei, daß sein indianischer Kunde großzügiger und leichter zu behandeln sein und daß er schließlich nicht aggressiv, sondern schläfrig werden würde.

Unglücklicherweise bewirkte die Ausweitung des Handels, besonders im Südwesten, auch erhöhte Umsätze mit einer weiteren Handelsware: Menschen. Der Sklavenhandel war in der Neuen Welt ursprünglich von den Spaniern ins Leben gerufen worden, weil sie Arbeitskräfte für die Gold und Silberbergwerke Mexikos brauchten. Als ihr Vordringen nach Norden später durch die Wildheit der berittenen Prärie-Indianer aufgehalten worden war, hatten sie den Sklavenhandel als Mittel zur Verhinderung eines Zusammenschlusses der Indianerstämme gegen sie gefördert. Sie hatten Apache, Comanche oder andere feindliche Indianer gekauft, die ihnen als Gefangene gebracht worden waren. Die Stämme waren bedauerlicherweise nur allzu gern bereit, Gefangene zu verkaufen.

Fast alle Prärie-Indianer verwendeten geflochtene Reitpeitschen. Die hier abgebildete eines Crow hatte lange Rohhautlederschnüre und einen schweren Holzgriff, mit dem ein Gegner im Nahkampf niedergeknüppelt werden konnte.

In einem Sommer drangen beispielsweise Ende Juli etwa tausend Comanche in den Bezirk Chama in New Mexico ein, töteten sieben Menschen und entführten drei Jungen.Der spanische Gouverneur entsandte Soldaten zur Verfolgung der Angreifer, aber seine Leute kamen erfolglos zurück. Am 15. August überfielen hundert Comanche den Pueblo Pecos, ermordeten neun Menschen und nahmen sieben gefangen. Diesmal war die Verfolgung erfolgreicher;
Spanier griffen das Indianerlager 300 Kilometer von Santa Fe entfernt an und töteten 40 Comanche.

Am 18. August brachten die Indianer in dem Dorf Albuquerque fünf Menschen um, entführten vier Schafhirten, schlachteten 400 Schafe und trieben alle Pferde davon. Eine Verfolgung war unmöglich; die dortige Miliz war gerade gegen die Navaho eingesetzt. Aber am 27. August kamen Comanche nach Taos, als herrsche allgemein Frieden, und durften Gefangene sowie Vieh, das spanische Brandzeichen trug, verkaufen.
Bei einem früheren Vorfall brachte eine Gruppe von Räubern, wahrscheinlich Apache, einige Caddokinder zu einem der Pueblomärkte. Als spanische Käufer sich aus irgendeinem Grund weigerten, die Kinder zu kaufen, schnitten die Räuber ihren kleinen Gefangenen vor den Augen einer entsetzten Menge die Kehlen durch. Um solche Massaker in Zukunft zu verhindern, genehmigte der König von Spanien die Zahlung von Lösegeld für Gefangene selbst in Fällen, wo keine Sklaven gebraucht wurden - wodurch er den Fortbestand dieses Handels sicherte. Selbst nach dem Rückzug der Spanier florierte der Sklavenhandel zwischen den Indianerstämmen bis ins 19. Jahrhundert hinein.

Auch innerhalb der engeren Sozialstruktur der Stämme bewirkte das Pferd grundlegende Veränderungen. Der Status der Frauen verbesserte sich - ursprünglich vor allem deshalb, weil ihnen einige der Lasten abgenommen wurden, die sie bisher selbst hatten schleppen müssen. Dadurch gewannen sie mehr Zeit für Handarbeiten und gesellschaftliches Leben. Doch die Frauen der Nomadenstämme konnten sich nicht lange über ihre Befreiung von traditionellen Arbeiten freuen. Die dadurch gewonnene Zeit wurde jetzt für das Bearbeiten der von den Jägern zurückgebrachten Bisonhäute verwendet. Teilweise wegen dieses Bedarfs, den die Jäger an Hilfspersonal hatten, wurde die Vielweiberei, die zuvor bei verschiedenen Stämmen in bescheidenem Umfang existiert hatte, bei reichen Männern immer beliebter. Die zusätzlichen Pferde gaben einem wohlhabenden Jäger die Möglichkeit, sich mehrere Frauen zu nehmen, die dann die Häute bearbeiten konnten. Ein Häuptling stellte dazu fest, daß seine „acht Frauen hundertfünfzig Häute im Jahr verarbeiten konnten, während eine einzelne Frau nur zehn verarbeiten konnte".

 

Für viele Stämme brachte das Pferd außerdem eine Aufteilung in verschiedene Klassen. In früheren Zeiten hatten die zu Fuß jagenden Indianer fast ihre gesamte Kraft darauf verwandt, ihr bloßes Überleben zu sichern. Aber nachdem das Pferd eine Wohlstandsgesellschaft begründet hatte, entwickelten sich drei grob umrissene Gesellschaftsklassen: eine privilegierte Oberschicht, von der erwartet wurde, daß sie sich als großzügig erwies und die Verantwortung für das allgemeine Wohlergehen der Gruppe übernahm; ein Mittelstand, der die meisten Vorrechte der Oberschicht genoß, aber weniger besaß und so unabhängig war, daß eine Familie jederzeit ihre Gruppe verlassen und sich einer anderen anschließen konnte; und schließlich eine unterprivilegierte Schicht, die aus Stammesangehörigen bestand, die nur wenige Pferde und andere Besitztümer hatten und von der Großherzigkeit der mächtigen Oberschicht abhängig waren. Obwohl Status bis zu einem gewissen Grad vererbbar war, gehörte der durch Mut und Geschicklichkeit als Jäger und Krieger erwerbbare Reichtum an Pferden zu den Kriterien für gesellschaftlichen Status. Deshalb konnte jeder tapfere, gewandte Krieger seine Klassenzugehörigkeit und die seiner Familie durch Überfälle auf feindliche Stämme in positiver Weise beeinflussen.

Obwohl die Indianer es vorzogen, domestizierte Tiere zu stehlen, hatte jeder Mann die Möglichkeit, seinen Reichtum dadurch zu vermehren, daß er Wildpferde einfing. Das war besonders bei den Comanche der Fall, denn in ihrem Stammesgebiet lagen einige der besten ursprünglichen Verbreitungsgebiete der wilden Mustangs. Die Indianer benützten viele Methoden, um Wildpferde einzufangen. Sie bauten Corrals aus Pfosten und Flechtwerk, deren Öffnung sich trichterförmig verengte, so daß die Pferde darauf zugetrieben und dann in den eigentlichen Pferch gejagt werden konnten. Auf ihren eigenen Pferden verfolgten sie Tiere, die nach dem Winter abgemagert und schwach waren, oder andere, die im Sommer fett und träge geworden waren, und fingen sie mit dem Lasso ein. Gute Wildpferde waren schwer zu fangen; tatsächlich entkamen die schnellsten und ausdauerndsten Mustangs fast immer. Um solche wertvollen Tiere möglichst doch zu fangen, jagten die Comanche sie in Stafetten, wobei sie die Tatsache ausnützten, daß die Pferdeherden dazu neigten, innerhalb ihrer Weidegebiete zu bleiben, und daß sie normalerweise in einem großen Kreis rannten, wenn sie verfolgt wurden. Reiter mit frischen Pferden übernahmen in regelmäßigen Zeitabständen die weitere Verfolgung. Durch diese Jagd, bei der sich die Verfolger ablösten, konnten die begehrten Mustangs bis zur Erschöpfung gehetzt und schließlich eingefangen werden, obwohl dieser Zeitpunkt unter Umständen erst nach zweibis dreitägiger ununterbrochener Jagd gekommen war.

Um ein frisch eingefangenes Pferd zu zähmen, fesselten die Comanche es zunächst und warfen es zu Boden. Der neue Besitzer blies ihm dann seinen Atem in die Nüstern, was vielleicht als Symbol seiner Herrschaft zu verstehen war. Als nächstes legte er dem Mustang ein Zaumzeug an, und spannte das Wildpferd einige Tage lang mit einer sanften alten Stute zusammen. Während der Mustang mit der Stute zusammenhing, befaßte sich der Besitzer oft mit ihm, um ihn an Menschen zu gewöhnen. Meist blieb das Wildpferd auch in der Nähe der Stute, wenn es losgebunden wurde. Um ein Pferd einzureiten, führte der Besitzer es in einen Sumpf, eine Sandgrube oder das tiefere Wasser eines Baches. Dort konnte es nicht so leicht bocken, und für den Reiter waren die unvermeidlichen Stürze weniger schmerzhaft.

 

In einer Beziehung gingen die Comanche und einige andere Stämme klüger mit Pferden um als die Spanier. Die Spanier ritten nur Hengste, die in kritischen Situationen, wenn es beispielsweise darum ging, gegen den Feind anzureiten, besonders leicht scheuten. Die Indianer kastrierten die meisten ihrer Hengste. Erstens ist ein Wallach gefügiger und deshalb leichter abzurichten als ein Hengst. Zweitens züchteten die Indianer ständig bessere Pferde heran, indem sie die meisten Hengste kastrierten und nur die besten als Zuchthengste behielten.

Die größten Pferdezüchter unter den Indianern Nordamerikas waren die Nez Perce. Der Forschungsreisende Meriwether Lewis notierte sich 1805 in seinem Reisetagebuch über die Pferde der Nez Perce: „Sie scheinen von ausgezeichneter Rasse zu sein, groß, elegant gebaut, lebhaft und ausdauernd; viele von ihnen erinnern an vollblütige englische Renner; manche von ihnen sind Schecken, bei denen große weiße Flecken ungleichmäßig mit einem Kastanienbraun vermischt sind." Die von Lewis beobachteten Schecken waren erstklassige Appaloosas.

 

Obwohl die Comanche die Pferdezucht nicht mit der gleichen Akribie wie die Nez Perce betrieben, verstanden sie es ebensogut, die Eigenschaften eines guten Pferdes zu entdecken. Sie beobachteten ein heranwachsendes Fohlen und beurteilten Körperbau, Farbe und Temperament. Mit ein bis zwei Jahren wurde das Tier auf Geschwindigkeit, Ausdauer, Furchtlosigkeit, Gelehrigkeit und Verwendbarkeit hin geprüft. Ein Krieger ritt unterwegs ein gewöhnliches Pferd, um sein Kriegs- oder Bisonpferd für anspruchsvollere Aufgaben zu schonen. Auf der Jagd und im Kampf ritt er nach Möglichkeit keine Stute. Stuten wurden von Frauen und Kindern geritten. Jeder alte Klepper konnte eine Traglast befördern oder ein Schleppgestell ziehen.


Zeigte ein Pferd jedoch hervorragende Anlagen, konnte sein Besitzer es zu einem Kriegs- oder Bisonpferd ausbilden, wobei es vorkam, daß dasselbe Tier für Kampf und Jagd verwendet wurde. In der Schlacht mußte ein Kriegspferd nicht nur die Schreie und das Kreischen der Kämpfenden ertragen, sondern auch aufmerksam auf die Befehle reagieren, die sein Reiter ihm durch Schenkeldruck oder Gewichtsverlagerung erteilte, während seine Hände damit beschäftigt waren, den Feind anzugreifen.

Obwohl viele Indianer der Einfachheit halber ohne Sattelzeug ritten, verwendeten sie auch Sättel - vor allem auf weiten Ritten und für Zeremonien. Frauen saßen auf einer Abwandlung des spanischen Kriegssattels mit seinen hohen Hörnern . Männer bevorzugten ein weiches Sattelpolster wie das  abgebildete eines Apache, das mit Bisonhaar und Gras ausgepolstert war.

Die mit Glasperlen verzierte Satteldecke eines Cheyenne
Die mit Glasperlen verzierte Satteldecke eines Cheyenne
Nez Percé–Indianer aus der Gruppe von Häuptling Joseph im Frühling 1877,
Nez Percé–Indianer aus der Gruppe von Häuptling Joseph im Frühling 1877,

Einige herausragende Pferde lernten, parallel zum Feind geradeaus zu galoppieren, während der Reiter auf einer Seite des Pferdes hing, so dag vom Feind aus nur einer seiner Füge über dem Pferderücken sichtbar war. Der Reiter hing in einer Schlinge aus Pferde- oder Bisonhaar, die in die Pferdemähne geflochten war und um seine Schulter führte. Er lieg dann ein Bein über dem Rücken des Tieres und drückte das andere gegen den Pferdebauch. Diese spektakuläre Kampfesweise wurde jedoch in der Schlacht nur selten angewendet. Sie lieg die gesamte Flanke des Kriegspferdes verwundbar und erschwerte das genaue Zielen.
Ein zur Bisonjagd verwendetes Pferd mußte in vielen Punkten die gleichen Eigenschaften wie ein Kriegspferd aufweisen: Schnelligkeit und Furchtlosigkeit, um sich an eine nervöse, flüchtende Bisonherde heranzuwagen, gutes Reaktionsvermögen, um dem Angriff eines Bisons ausweichen zu können; und Ausdauer, um mit einer davonrasenden Herde kilometerweit Schritt halten zu können.

 

Ein Comanche hatte große Wertschätzung für sein Lieblingspferd. Er striegelte es, streichelte es und pflockte es nachts aus Sicherheitsgründen meistens in der Nähe seines Tipis an. Der Comanche Post Oak Jim erzählte einst einem Anthropologen: „Manche Männer liebten ihre Pferde mehr, als sie ihre Frauen liebten." Wer das Lieblingspferd eines Mannes tötete, verübte damit praktisch einen Mord.

Die Prärie-Indianer fertigten ihr Zaumzeug im allgemeinen selbst an, wobei sie größtenteils spanische Muster abwandelten, aber auch eigene Ideen verwirklichten. Als Material verwendeten sie geflochtenes oder gewobenes Pferde- oder Bisonhaar, Rohhautleder und gegerbtes Leder. Manchmal wurde an dem Zügel auch eine stählerne Gebißstange befestigt. Aber die Indianer zogen es vor, ihre Pferde nur mit einem um den Unterkiefer geschlungenen dünnen Lederriemen zu reiten. Auf der Jagd oder im Kampf wollten sie ihre Pferde nicht allzu schwer belasten und ritten deshalb ohne Sattel oder mit einem einfachen Fell oder einem aus Fell genähten Sattelpolster. Für Frauen und alte Männer sowie für Traglasten wurden spezielle Sättel gebaut, die aus einem Holz- und Horn-Rahmen bestanden, der mit Sehnen und nassem Rohhautleder umwickelt wurde. Der Lederüberzug schrumpfte beim Trocknen und hielt die Teile fest zusammen. Zu solchen Sätteln, die mit einem zusammengefalteten Bisonfell oder einem Stück Bärenfell gepolstert wurden, gehörten Steigbügel aus grünem Holz, das in Form gebogen und so getrocknet wurde.

Die dramatische Jagd nach dem Bison

Vor der Jagd tanzen Sioux um die Silhouette eines ins Gras gezeichneten, von Speeren durchbohrten Bisons.
Vor der Jagd tanzen Sioux um die Silhouette eines ins Gras gezeichneten, von Speeren durchbohrten Bisons.

In Friedenszeiten war die Hauptbeschäftigung der nomadischen Prärie-Indianer die Bisonjagd, die auf diesen Gemälden George Catlins, eines aus Philadelphia stammenden Künstlers, der sechs Jahre bei diesen Indianern verbrachte, dargestellt ist. Der Bison lieferte nicht nur Fleisch; sondern buchstäblich alles, was ein Indianer zum Leben brauchte: von Löffeln bis hin zur Unterkunft. Wegen seiner Bedeutung - und als Tribut an seine Kraft - wurde der Bison als heiliges Tier verehrt, dessen Geist vor jeder Jagd gepriesen wurde.


Entscheidend für den Erfolg eines Bisonjägers war sein Pferd, das er mit größter Sorgfalt auswählte und pflegte. Es mußte schnell genug sein, um eine durchgehende Herde zu überholen, und genügend Ausdauer besitzen, um lange Strecken galoppieren zu können, da selbst ein tödlich verwundeter Bulle noch eine Meile weit laufen konnte, bevor er zusammenbrach. Ein gutes Pferd sollte trotz der Größe des Bisons während des Anpirschens ruhig bleiben. Falls die Bisons sich zur Verteidigung zusammendrängten, mußte das Pferd in die Herde eindringen und dabei geschickt den nach ihm stoßenden gefährlichen Hörnern ausweichen.


Kein Wunder, daß dieses Tier einen Vorzugsplatz in der Indianerfamilie einnahm. Wenn bekannt war, daß Diebe von anderen Stämmen in der Nähe waren, wurde das Bisonpferd ins Tipi geholt. Die Frauen mußten dann im Freien schlafen.


Zur Bisonjagd trug ein Jäger nur einen Lendenschurz und Mokassins, steckte ein Messer mit Scheide in seinen Gürtel und bewaffnete sich mit einer kurzen Lanze oder einem etwa einen Meter langen Bogen und 20 Pfeilen mit Eisenspitzen. Um den Hals seines Pferdes hing eine lockere Lederschlinge, die der Reiter ergreifen konnte, falls er vom Pferd fiel. Sobald der Jäger dicht genug an den Bison herangekommen war, versuchte er, einen Punkt hinter der letzten Rippe zu treffen, um das Zwerchfell zu durchlöchern und die Lungen zusammenfallen zu lassen. Aber selbst wenn der Pfeil oder die Lanze saß, waren im allgemeinen mindestens drei Treffer notwendig, bis das kraftstrotzende Tier endlich zusammenbrach.

Bevor die Indianer, die am Rande der Plains von der Bisonjagd zu leben versuchten, Pferde bekamen, führten sie ein gefahrvolles und mühsames Dasein. Obwohl die Bisons sich gelegentlich in Herden sammelten, die Hunderttausende von Tieren umfassen konnten und sich bis über den Horizont erstreckten, zog der Bison auf seinen Wanderungen häufiger in kleinen Herden mit fünf bis fünfzig Tieren, die über Nacht auftauchten und wieder verschwanden. Da der Bison schlecht sah und nicht sonderlich intelligent war, hätte er eigentlich eine leichte Beute der listigen indianischen Jäger werden müssen. Aber allein durch seine ungeheure Größe und seine Wildheit, wenn er angegriffen wurde, war der Bison so gefährlich, daß ihm viele indianische Jäger zum Opfer fielen.

 

Solange die Indianer den Bison zu Fug jagten, mußten sie sich viele verschiedene Jagdmethoden einfallen lassen, die teils subtil, teils grausam waren und alle nicht immer zuverlässig wirkten. Unter Wolfspelzen versteckte Jäger schlichen sich an weidende Herden an. Andere verbargen sich unter Bisonfellen und versuchten, die Herde durch Blöken und Bewegungen über einen Felsabbruch zu locken, wobei sie ihr Leben riskierten, falls die Tiere plötzlich durchgingen. Häufiger war die Treibjagd, bei der ganze Stämme aufgeboten wurden, um schreiende, Gewänder schwenkende Kolonnen zu bilden, die dann versuchten, eine Herde über eine Klippe zu treiben, an deren Fug Männer die überlebenden Tiere mit Lanzen erlegten. Im Winter trieben Indianer die Bisons in Tiefschnee oder auf gefrorene Seen, wo die Tiere den Boden unter den Füßen verloren, so daß die Jäger sie leichter erlegen konnten.

 

Eine eindrucksvolle Erscheinung auf den weiten Plains: Ein ausgewachsener Bulle mit einer Schulterhöhe von etwa 1,80 Meter wog fast eine Tonne. Für die Indianer waren das Höckerfett und die Zunge ganz besondere Delikatessen.

Um sich im Sommer abzukühlen, wühlte der Bison feuchtes Erdreich mit den Hörnern auf und trampelte dann darin herum, bis eine feuchte, kühle Suhle entstanden war. Die kreisrunden Graspolster, die später in diesen Suhlen wuchsen,
wurden von weißen Siedlern irrtümlich für indianische Tanzkreise gehalten.

Da gesunde Bisons in Herden keine Angst vor Wölfen hatten, tarnten indianische Jäger sich mit Wolfspelzen, um sich so an ihre Beute anzuschleichen
Da gesunde Bisons in Herden keine Angst vor Wölfen hatten, tarnten indianische Jäger sich mit Wolfspelzen, um sich so an ihre Beute anzuschleichen

Indianische Jäger auf Schneeschuhen aus Rohhautleder kreisen eine Herde ein, die im tiefen Schnee gefangen ist.


Die wegen ihres Gewichts einsinkenden hilflosen Bisons werden von den Lanzen der Indianer durchbohrt oder mit Vorderladern erlegt, die von den Indianern ohne Hast geladen und immer wieder abgefeuert werden können.

Waidwunde Bisons, die den Jägern entkamen, wurden oft eine Beute der Wölfe - aber nicht ohne Gegenwehr. Ein Bison kämpfte noch weiter, nachdem die Wölfe ihm Augen, Nase und die Zunge herausgerissen und seine Beine zerfleischt hatten.
Waidwunde Bisons, die den Jägern entkamen, wurden oft eine Beute der Wölfe - aber nicht ohne Gegenwehr. Ein Bison kämpfte noch weiter, nachdem die Wölfe ihm Augen, Nase und die Zunge herausgerissen und seine Beine zerfleischt hatten.

Die wirksamste Methode der Bisonjagd durch berittene Indianer war ein lärmender, tödlicher Kampf, Umzingelung genannt. Auf diese Weise konnte in einer Viertelstunde eine ganze Herde erlegt werden, was jedoch selten ohne Tote und Verletzte bei Reitern und Pferden abging. Die Umzingelung begann damit, daß zwei Kolonnen berittener Jäger sich allmählich einer Bisonherde näherten. Sobald die Tiere sich von zwei Seiten angegriffen sahen, begannen sie zu fliehen.

 

Die beiden Kolonnen der Jäger schlossen sich im Galopp zusammen, und die Reiter brüllten und schwenkten die Arme, um den Leitbullen zum Umkehren zu bewegen. Während die verstörten Tiere im Kreis durcheinanderliefen, ritten die Indianer um sie herum; beschossen sie mit Pfeilen und griffen mit Lanzen an. Die in die Enge getriebenen und verwundeten Bisons stießen mit den Hörnern um sich und spießten manchmal ein Pferd auf, dessen abgeworfener Reiter zu Tode getrampelt werden konnte, während er zu entkommen versuchte. In diesem Chaos griffen die Bisons sich sogar gegenseitig an, und über dem Schlachtfeld stiegen Staubwolken hoch in die Luft. Nachdem der letzte Bison erlegt war, kamen die Frauen herbei, um den Jägern zu helfen; jede Ehefrau erkannte ihre Tiere an den farbigen Markierungen an den Pfeilen ihres Kriegers. Zwei Indianer konnten einen ganzen Bison in einer Stunde abhäuten. Ein guter Jäger konnte bis zu sechs Ehefrauen haben, die seine Beutetiere abhäuteten und zerlegten, denn je besser er als Jäger war, desto mehr Menschen konnte er unterhalten. Die Bisonfelle und der größte Teil des Fleisches wurden auf Packpferden ins Lager zurückgebracht. Da einige Teile des Bisons, etwa das Gehirn und der Dünndarm, sich nicht aufbewahren ließen, wurden sie oft unmittelbar auf dem Schlachtfeld als Siegesmahl verschlungen. Wenn das letzte Packpferd mit seiner schweren Last davongeschwankt war, dann war die Ebene häufig mit von den Indianern absichtlich zurückgelassenen Bisonherzen übersät. Sie glaubten, die mystische Kraft dieser Herzen werde dazu beitragen, die ausgerottete Bisonherde zu regenerieren.

Das Allzwecktier der Plains

Jeder Teil des Bisons, der nicht gegessen wurde, fand anderweitig Verwendung. Aus Hörnern, Knochen, Hufen, Fell und inneren Organen wurden Haushaltsgegenstände wie die unten aufgeführten. Sogar der Bisonmist wurde als Brennmaterial aufbewahrt. Am vielseitigsten verwendbar war die Haut des Bisons. Ihre Dicke variierte je nach Alter und Geschlecht des Tieres. Die dickste Haut stammte von alten Bullen und wurde für Schilde und die Sohlen von Wintermokassins gebraucht. Die dünnste war die Haut ungeborener Kälber, aus der Beutel für Beeren hergestellt wurden. Aus der Kuhhaut wurde wegen ihrer mittleren Dicke eine ganze Reihe von Gegenständen angefertigt - von Flögen bis hin zu Ballüberzügen für ein „Shinny" genanntes Spiel.

Die Indianer bearbeiteten die Häute auch, um ihnen unterschiedliche Eigenschaften zu verleihen. Eine als Rohhautleder bezeichnete unbehandelte Haut war hart und steif, jedoch nach dem Gerben wurde sie weich und geschmeidig.


Sollten aus Häuten Winterbekleidung und Decken hergestellt werden, ließ man die Haare daran, für andere Verwendungszwecke wurden sie abgekratzt.


Der obere Teil einer Tipibespannung aus Kuhhaut, der durch das Fett und den Rauch zahlloser Kochfeuer regendicht geworden war, wurde später von den fleißigen Indianerinnen weiterverwertet: Sie zerschnitten dieses imprägnierte Leder und nähten daraus Kleidungsstücke.

Der magische Klang der Flöten und Trommeln

Wie die meisten Aspekte der Kultur der Prärie-Indianer hing auch die Musik eng mit ihrem Glauben an übernatürliche Mächte zusammen. Instrumente wie die rechts abgebildeten wurden allein oder bei öffentlichen Tänzen gespielt, und es gab Indianermusik für fast jeden Anlaß.


Jeder junge Mann hatte ein persönliches Lied, dessen Melodie und Text ihm seiner Überzeugung nach direkt durch die Macht seines Schutzgeistes übermittelt worden waren - eines Wolfs, eines Baums oder einer Blume. Um dieses Lied zu finden, fastete er allein in der Wildnis, bis ihm im Traum die Erleuchtung kam. Es konnte sich um ein schlichtes Bekenntnis handeln wie in dem Cree-Lied: „Es gibt nur Schönheit hinter mir, nur Schönheit vor mir." Der Indianer sang sein persönliches Lied in bestimmten Augenblicken seines Lebens, um die Verbindung zu den geheimnisvollen Mächten, die er im Traum gesehen hatte, wiederherzustellen. Falls sein Leben besonders erfolgreich war, wurde das zu einem großen Teil auf seine persönliches Lied zurückgeführt.


Eine junge Mutter sang vielleicht leise vor sich hin, um ihr Kind in den Schlaf zu wiegen. Und eine verliebte Cheyenne konnte auf das Lied eines Verehrers kokett mit dem Refrain antworten: „Nimm mich in die Arme, ich sehe nicht hin." Es gab satirische Verse, in denen Menschen verspottet wurden, die den Komponisten geärgert hatten. Krieger hatten ihre eigenen Lieder wie dieses, das von einem Sioux gesungen wurde, der Mitglied der Präriefuchs-Kriegergesellschaft war:


Ich bin ein Fuchs, Ich soll eines Tages sterben. Gibt es etwas Schwieriges, Gibt es etwas Gefährliches zu tun, So ist das meine Aufgabe.

Bei öffentlichen Zeremonien wurde Gesang mit Tanz und ausgeprägt rhythmischer Musik aus einer Vielzahl von Instrumenten kombiniert. Die Tänzer schüttelten Rasseln oder schlugen Handtrommeln, um ihre Schritte zu unterstreichen. Rasseln wurden aus Flaschenkürbissen oder Schild krötenpanzern hergestellt, die mit Kieseln oder Samenkörnern gefüllt wurden. Zur Herstellung einer Trommel wurde Holz in heißem Wasser eingeweicht und zu einem Ring gebogen; dann wurde das Trommelfell mit Lederriemen straff über diesen Ring gespannt. Während die Trommeln mancher Prärie-Indianer wie ein Tamburin nur ein Fell aufwiesen, waren andere - wie die Ute-Trommel auf der Seite gegenüber - auf beiden Seiten mit Fell bespannt. Die Ute kratzten mit einem Stück Wapitigeweih über ein eingekerbtes Holzstück, das auf einem umgedrehten Korb lag, um auf diese Weise die Schwingungen zu verstärken.

Die Pfeife und die Flöte waren die einzigen Blasinstrumente der Indianer. In die Schlacht reitende Krieger bliesen oft Pfeifen aus dem Flügelknochen eines Adlers - des Vogels, der Mut symbolisierte. Die blockflötenähnlichen Flöten, deren Fingerlöcher an der Oberseite lagen, wurden aus weichem Holz mit gerader Maserung wie Weide oder Holunder geschnitzt; das Holz wurde der Länge nach gespalten und ausgehöhlt; die Hälften wurden mit Leim zusammengeklebt und mit Rohhautlederriemen zusammengebunden, damit eine luftdichte Verbindung entstand.

Durch den Kontakt mit Weißen erweiterte sich der musikalische Horizont der Indianer, die dadurch die Notenschrift sowie Blechblas- und Saiteninstrumente kennenlernten. Die Apache bauten sogar ihre eigene Version einer Geige, indem sie zwei Hirschsehnen über einen etwa einen halben Meter langen ausgehöhlten Klangkörper aus Holz spannten. Mit einem kurzen Pferdehaarbogen konnten sie ihre Zeremonien nun mit dem ungewohnten Klang der Geige begleiten.

Bei den Stämmen des Westens erfüllten Körbe eine Vielzahl von Aufgaben.

Indianerkörbe wurden aus den unterschiedlichsten Pflanzenfasern geflochten: aus Gräsern, Rindenstreifen, Yuccablättern und Binsen. Wurde dieses Material richtig getrocknet, war es trotz seines geringen Gewichts erstaunlich haltbar. Nach Entwürfen und Mustern, die von Generation zu Generation abgewandelt oder verbessert wurden, flochten Indianerinnen Teller ebenso wie Sandalen, Taschen für Wiegenbretter und Würfeltabletts für Spieler.

 

Besonders wichtig waren die Körbe, in denen Getreide und andere Samen, die nur zu bestimmten Jahreszeiten geerntet werden konnten, gelagert wurden. Tragkörbe, die bei Stämmen, die nur wenige Packpferde hatten, von Frauen auf dem Rücken geschleppt wurden, nahmen Bettzeug, Werkzeuge und Mokassins auf.

 

Manche Gegenstände waren lediglich nützlich - wie die rechts abgebildete unverzierte Paiute-Wasserflasche (sie war mit Tannenharz ausgestrichen, um sie wasserdicht zu machen). In den meisten Fällen aber wurde Nützlichkeit mit dekorativem Aussehen verbunden.

 

Man brauchte einen guten Blick für künstlerische Wirkung - und drei bis vier Monate Arbeitszeit -, um aus Weidenruten und Fasern der Teufelskralle den links abgebildeten wundervollen Pima-Getreidekorb zu flechten.

Decken

Ein weiterer Triumph für das am Nützlichen orientierte Kunsthandwerk der Indianerinnen waren gewebte Decken, besonders die der Navaho. Ihren Überlieferungen nach hatten die Navaho-Frauen die Kunst des Webens von einem übernatürlichen Wesen mit dem Namen Spinnenfrau gelernt. Tatsächlich waren ihre Lehrmeister jedoch die Pueblo-Indianer gewesen, von denen sie gegen Ende des 17. Jahrhunderts diese Kunst erlernt hatten. Die PuebloIndianer, die seßhafte Bauern waren, hatten ursprünglich selbstangebaute Baumwolle gewebt. Aber die Navaho begannen schon bald, ihre neuen Fertigkeiten auf die Wolle von Schafen anzuwenden, die von den Spaniern in die Neue Welt eingeführt worden waren, wo sie den Kriegern des Stammes bei Überfällen auf Siedlungen der Weißen in die Hände gefallen waren.

 

Die geduldigen und geschickten Navaho-Frauen, die einen ungewöhnlichen Blick für neuartige Muster hatten, entwickelten die Kunst des Webens zu unübertroffener Vollkommenheit weiter. Von ihren Webstühlen kamen Gegenstände wie Kleider, Hemden, Ponchos, Satteldecken, Bettdekken, Schärpen und Zeremonialteppiche.

 

Diese Arbeiten waren so schön und eindrucksvoll, daß auch andere Indianerstämme sie hochschätzten und sie ein begehrtes Handelsobjekt bei allen Stämmen quer durch den ganzen Westen wurden.

 

Obwohl die Navaho eigene Farbstoffe herstellten, bezogen sie das leuchtende Rot, das in so vielen ihrer Erzeugnisse auftaucht, in Form von Stoffen, die im fernen Manchester gewebt worden waren. Nachdem die Navaho dieses ausländische Tuch eingetauscht hatten, trennten ihre Frauen es unverdrossen auf und verwendeten die Fäden für ihre eigenen herrlichen Muster.

Die Macht der Geister

Masken, wie diese Navaho-Gesichtsmaske als Symbol der Göttin des Beistandes, verwandelten Indianer in Idole, deren Kräfte dem Stamm im Krieg und bei der Bisonjagd halfen.
Masken, wie diese Navaho-Gesichtsmaske als Symbol der Göttin des Beistandes, verwandelten Indianer in Idole, deren Kräfte dem Stamm im Krieg und bei der Bisonjagd halfen.

Für die West-Indianer war alles in der Welt um sie herum mit Geistern und Mächten erfüllt, die das Leben der Indianer beeinflußten. Die Sonne, die Berge, der Biber, die Schlange, der Adler - alle besaßen ihre geheimnisvolle Kraft oder Medizin. Um überleben und gedeihen zu können, war eine ständige Aufeinanderfolge von Zeremonien notwendig - das sogenannte Medizinmachen -, durch das sich diese Geister wohlwollend stimmen ließen. Einige dieser Rituale waren einfach und persönlich - zum Beispiel die Sitte der Krieger, sich vor Himmel und Erde zu verbeugen und sich danach in die vier Himmelsrichtungen umzudrehen, während sie sich ihre Morgenpfeife anzündeten. Andere, wie der hier gezeigte Apache-Tanz, waren komplizierte Zeremonien, die unter Anleitung eines priesterähnlichen Anführers tagelang andauern konnten. Er erklärte den Tänzern genau, was sie zu tun hatten, und wehe dem unaufmerksamen Teilnehmer! Nach einer alten Apache-Uberlieferung wurde ein Tänzer, der seinen Kopfschmuck nicht genau nach Vorschrift aufsetzte, unweigerlich verrückt.

Ein von Religion beherrschtes Leben.

Einige Jahre nach der großen Ratsversammlung am Pfeilspitzen-Flug befand sich Eagle Chief (AdlerHäuptling), einer der Führer der Skidi-Pawnee, in einem Lager am Platte River, als eine Gruppe von Pawnee von einem Raubzug zurückkehrte. Die Krieger brachten mehrere Gefangene mit, die sie bei einem Überfall auf einen Nachbarstamm gemacht hatten. Bis auf einen wurden die Gefangenen sofort in die Pawnee-Gruppe aufgenommen und freigelassen, um ein normales Leben innerhalb des Dorfes zu führen. Diesem einen Gefangenen aber war ein anderes Los bestimmt. Er sollte Tirawa, dem höchsten Gott der Pawnee, geopfert werden, der sich der Gruppe dann hoffentlich gnädig erweisen würde. Tirawa würde mit diesem Mann zufrieden sein, denn er war jung, kräftig und gesund.

 

Vor dem Opfer bekam der Todeskandidat die erlesensten Delikatessen serviert und wurde mit zarter Rücksichtnahme behandelt. Zahlreiche Frauen erschienen, um nacheinander mit ihm zu essen, und jede sagte, bevor sie wieder ging: „Ich hoffe, daß Tirawa mich segnet, daß er Mitleid mit mir hat, daß meine Samen wachsen werden, wenn ich sie in die Erde lege, und daß ich von allem überreichlich haben werde."

 

Nach vier Tagen gingen zwei alte Männer zu beiden Seiten des Dorfes, riefen laut und wiesen alle männlichen Dorfbewohner an, einen Bogen und einen Pfeil zu machen. Für jeden Jungen wurden ein Bogen und ein Pfeil angefertigt; für die kleinen Jungen kleine Bogen, die sie spannen konnten, und kleine Pfeile. Am nächsten Morgen war vor Tagesanbruch alles bereit. Jeder Mann trug seinen Pfeil und Bogen. Jede Frau hatte eine Lanze oder einen Stock. Alle verließen das Dorf auf der Westseite und warteten dort darauf, daß der Gefangene herausgebracht würde. Dort waren zwei kräftige Pfosten in die Erde gerammt und durch vier Querstangen miteinander verbunden worden.

 

Bei Tagesanbruch führten Krieger den nackten Gefangenen zu den Pfosten, hoben ihn hoch, banden zuerst die linke und dann die rechte Hand an die oberste Querstange und fesselten danach die Füge an der unteren. Alle standen schweigend da, sahen zu und warteten; die Männer hielten ihre Waffen. Auf dem Boden unter dem Opfer war Holz für ein großes Feuer aufgehäuft, das jetzt angezündet wurde. Dann lief der Krieger, der den jungen Mann gefangengenommen hatte, mit Pfeil und Bogen dicht an das Opfer heran und durchschoß es mit dem heiligen Pfeil, dessen Spitze wie in der alten Zeit aus Feuerstein bestand, unter den Armen von einer Seite zur anderen. Das Blut lief nach unten ins Feuer. Auf ein Zeichen hin kamen alle Männer herangerannt und schossen ihre Pfeile in den Körper. Für die Jungen, die noch nicht selbst schießen konnten, tat es ein anderer. Die Pfeile waren so zahlreich, daß der ganze Körper vor Pfeilen starrte.

Ein für diesen Zweck ausgewählter Mann kletterte jetzt hinauf und zog alle Pfeile bis auf den ersten aus dem Körper. Dann nahm er sein Messer, schnitt die Brust des Opfers auf, holte eine Handvoll Blut heraus und beschmierte damit sein Gesicht. Danach kamen die Frauen mit ihren Stöcken und Speeren nach vorn, schlugen oder stachen die Leiche und zählten dabei Coups.


Inzwischen brannte das Feuer hoch und versengte den Toten; es wurde weiter genährt, bis der Leichnam verbrannt war. Und während der Rauch des Blutes und des verbrennenden Körpers zum Himmel aufstieg, beteten alle zu Tirawa, gingen am Feuer vorbei, griffen mit den Händen nach dem Rauch, führten ihn über ihre Körper und die ihrer Kinder und flehten Tirawa an, sich ihrer zu erbarmen und ihnen Gesundheit, Erfolg im Kampf und reichliche Ernte zu schenken.


Der Mann, der den Gefangenen getötet hatte, fastete und trauerte vier Tage lang und flehte Tirawa an, sich seiner zu erbarmen, denn er wußte, daß er einem anderen Menschen das Leben genommen hatte.

 

Die Opferung eines gesunden jungen Mannes - oder häufiger eines von einem anderen Stamm entführten Mädchens - stellt ein gewalttätiges Extrem in den religiösen Sitten und Gebräuchen der Prärie-Indianer dar. Aber auch viele andere Stämme hatten Riten, die den Weißen grausam und abstoßend erschienen. Für die Indianer waren solche Handlungen jedoch natürlich und notwendig, um Unglück abzuwehren. Trotz der geschickten Anpassung der PrärieIndianer an ihre Umwelt und ihres von einem eisenharten Willen getragenen Stoizismus war ihr Leben auf vielfältige Weise ungewiß. Sie waren in großem Ausmaß vom Wetter, von den Wanderungen der Bisonherden und dem Wachstum der Pflanzen abhängig. Der Tod durch Hunger, Seuchen oder räuberische Feinde war nie weit entfernt.

Der von einem gahe-Tänzer getragene Apache-Kopfschmuck basiert auf der Vision eines Schamanen, dem einer der Berggeister, die den Stamm beschützten, erschienen war.
Seine Form ist ein Ausdruck des Glaubens der Apache, daß die Geister geweihtragendes Wild wie Hirsche und Antilopen beschützten.

Dieser Sakralkopfschmuck einer Blackfoot-Indianerin wurde während eines Sonnentanzes getragen. Um ihn tragen zu dürfen, schwor die Frau, den Tanz auszurichten, falls die Sonne ihr einen Wunsch erfülle.

 

Wenn sie den Wunsch erfüllt bekam, mußte sie der Vorbesitzerin diesen Kopfschmuck für viele Pferde abkaufen.

Um in einer derartigen Welt überleben zu können, empfanden die Indianer das Bedürfnis nach machtvoller Unterstützung. Diese erhielten sie von einer Vielzahl von Geistern, von denen die Natur belebt war. Geister gab es ihrer Überzeugung nach überall, und sie wurden fast immer mit einem sichtbaren Gegenstand, einem Tier oder einer Naturerscheinung in Verbindung gebracht. Sie wohnten in der Sonne und in der Erde, in Flüssen und Hügeln, in Gewittern und Regenbogen sowie in den verschiedensten Lebewesen - von der Libelle bis zum Bison. Diese heiligen Wesen besagen die Macht, auf der Jagd und im Krieg Erfolg zu schenken, die Jungen zu beschützen, die Kranken zu heilen, Fruchtbarkeit zu garantieren und das Wohlergehen des Stammes zu sichern. Aber diese Macht wurde nur dann ausgeübt, wenn die Menschen ständig wieder die gleichen Zeremonien durchführten, die den Zweck hatten, ihnen die Unterstützung der übernatürlichen Kräfte zu sichern, von denen ihr Universum gelenkt wurde.

 

Diese religiösen Riten nahmen viele Formen an. Manche waren lediglich respektvolle kleine Gesten. Häutete ein Apache beispielsweise einen Hirsch ab, drehte er den Kopf des Tieres nach Osten - in die heilige Richtung, in der die lebenspendende Sonne aufging und aus der neues Leben für weiteres Wild kommen würde. Nahm ein Comanche zu einem offiziellen Festmahl Platz, schnitt er oft ein winziges Stück von irgendeiner Speise ab, hielt sie als symbolisches Opfer für irgendeine himmlische Gottheit hoch und vergrub den Bissen dann im Erdboden.

 

Erheblich komplizierter und anspruchsvoller waren die großen Zeremonien wie das Menschenopfer der Pawnee, die Gutes für das gesamte Dorf bewirken sollten. Sie wurden in wechselnden Zeitabständen durchgeführt, wenn die Gruppen eines Stammes zusammenkamen, um Kulthandlungen zu beobachten oder an Riten teilzunehmen, die aus Hunderten von formellen Abschnitten bestanden, deren Abwicklung über eine Woche lang dauern konnte. Dabei war es entscheidend, daß jeder Schritt gewissenhaft ausgeführt wurde, weil die Geister sonst verärgert waren und die Zeremonie nicht den beabsichtigten Zweck erfüllen konnte. Eines dieser komplizierten Rituale war der massaum oder Tiertanz der Cheyenne, der in Abständen von einigen Jahren aufgeführt wurde, um die Erde zu besänftigen und weiterhin reichliche Ernten zu sichern.


Die Vorbereitungen begannen damit, daß eine etwa acht Meter hohe Pappel gefällt und entastet wurde, wobei jedoch die obersten Äste am Baum blieben, damit - wie es in dem dazugehörigen Gebet hieß - „all die Bäume und Gras und Früchte gedeihen und stark werden können". Das Fällen wurde von einem Mann begonnen, der sich nach einem bestimmten Ritual richtete: Er holte viermal aus, hielt die Axt dreimal dicht vor dem Baum an und schlug dann beim viertenmal ins Holz (die Zahl Vier besaß eine große spirituelle Bedeutung, die mit den vier Haupthimmelsrichtungen zusammenhing). Frauen fällten den Baum dann ganz; sie sangen bei der Arbeit ein eindringliches Klagelied, das sich anhörte, als ob der Wind durch die Blätter der Bäume strich.

 

 

Das Hemd eines Wettertänzers bei den Piegan verlieh seinem Besitzer die Kraft, Wolken während eines Sonnentanzes am Abregnen zu hindern. Der mit diesem Hemd Bekleidete tanzte zuerst nach Osten und dann nach Westen, um schließlich alle noch am Himmel stehenden Wolken zu beschwören.

 

Der gefällte Baum wurde ins Dorf getragen und in der Mitte einer großen Hütte aufgestellt, in der dann der überwiegende Teil des Rituals stattfand. Auch dort war alles, was zu geschehen hatte, genau vorgeschrieben. Das Feuer durfte nicht mit Tannen- oder Wacholderholz unterhalten werden. Wenn eine Frau den Auftrag erhielt, einen heiligen Bisonschädel in die Hütte zu bringen, wurde sie angewiesen, dreimal in die falsche Richtung zu gehen und erst beim viertenmal hereinzukommen; in der Zwischenzeit sangen die Teilnehmer vier Lieder. Zu einem bestimmten Zeitpunkt des Rituals wurde ein Wolfsfell in einer genau bestimmten Reihenfolge aufgezeichnet: zuerst die linke, dann die rechte Vorderpfote, danach die rechte Hüfte und hinüber zur linken Schulter, die linke Hüfte und hinüber zur rechten Schulter und so weiter.

 

Diese feierlichen, gewissenhaft ausgeführten Prozeduren endeten am fünften Tag mit einem fröhlichen Höhepunkt, wenn die Männer die Felle verschiedener Tierarten anlegten - von Bison, Wapiti, Fuchs, Bär, Antilope, Kojote und anderen. Sie tanzten umher, kratzten, scharrten, stampften und gingen durch wie die Tiere, die sie verkörperten. „Gejagt" wurden sie von Mitgliedern der Gegenteil-Gesellschaft, einer besonderen Gruppe, die angeblich in Verbindung mit dem Donnergeist stand, hier jedoch eine hauptsächlich komische Rolle spielte. Die Gegenteil-Jäger taten alles rückwärts, hielten ihre Bogen umgekehrt, liefen rückwärts und benahmen sich auch sonst auf exzentrische, clownhafte Weise, die alle Zuschauer entzückte. Nachdem die Zeremonie beendet war, brach der Stamm zur Bisonjagd auf - fest überzeugt, reichliche Beute zu finden.

 

Die Cheyenne kannten eine weitere wichtige Zeremonie: die Pfeilerneuerung, ein viertägiges Ritual, das die Gewalt ihrer Waffen wiederherstellte, wenn ihre Existenz als Volk gefährdet war - beispielsweise während einer Hungersnot oder nach einer verlorenen Schlacht. Die Erneuerung betraf vier heilige Pfeile (von denen zwei übernatürliche Kraft über Menschen und die beiden anderen über Bisons besitzen sollten), die den Cheyenne vor langer Zeit von einem Stammeshelden namens Sweet Medicine (Süße Medizin) übergeben worden waren.

Dieses Kleid trug ein Berdache oder Homosexueller bei den Ponka. Die Indianer glaubten, in der Pubertät erscheine den Knaben der Mond und biete ihnen einen Bogen und die Tragschlinge einer Frau an. Griff der Junge nur zögernd nach dem Bogen, gab der Mond ihm die Tragschlinge, die eine feminine Lebensweise symbolisierte.


Berdaches dienten als Ehevermittler und versorgten oft in der Schlacht die Verwundeten.

Das Leben nach dem Tode hatte große Ähnlichkeit mit dem auf der Erde. Auch im Jenseits lebten die Menschen in Lagern, waren Jäger, führten Krieg und gingen weiteren vertrauten Beschäftigungen nach. Im Land der Toten gab es keine Schrecken wie Gericht und Verdammung, und abgesehen von Selbstmördern konnte jedermann damit rechnen, es nach seinem Tod zu erreichen. Die auf diese Weise von etwaigen Schrecken des Lebens nach dem Tode befreiten Religionen der Indianer konzentrierten sich darauf, angesichts der harten Realitäten des Lebens auf den Plains für Glück und Wohlstand zu sorgen. „Wir wußten einfach, daß wir hier waren", stellte ein alter Comanche fest. „Unsere Gedanken galten deshalb vor allem dem Verständnis der Geister."

 

Für alle Stämme der Prärie-Indianer lebten die nützlichsten und am häufigsten beschworenen Geister in Tieren. Beispielsweise galt der Wapitihirsch als wirksamer Helfer in Liebesangelegenheiten (die Indianer waren sehr von seiner Fähigkeit beeindruckt, Hirschkühe zu sich zu rufen). Der Bär war schwer zu erlegen und heilte nach Überzeugung der Indianer seine Wunden selbst; deshalb traute man ihm zu, auch bei der Heilung menschlicher Verletzungen helfen zu können. Adler und Habichte mit ihren starken Krallen waren gute Helfer in Kriegszeiten. Dem Stinktier wurden viele übernatürliche Kräfte zugeschrieben; sein Schwanz wurde als Medizinbehälter verwendet oder im Krieg an Pferdeschweife gebunden, während sein Abbild oft auf Tipis und sogar auf die Samenkörner gemalt wurde, die von Frauen für bestimmte Glücksspiele verwendet wurden.

 

Manche Pueblo-Indianer im trockenen Südwesten schrieben Klapperschlangen die Kraft zu, Regen zu schicken. Im Frühjahr brachen die Pueblo-Indianer in die vier Himmelsrichtungen auf, um einige lebende Klapperschlangen zu fangen. In der dann folgenden Zeremonie tanzten die Männer paarweise, wobei jeweils einer die Schlange im Munde hielt, während der andere sie mit einem Federwisch streichelte, damit sie nicht biß. Die einschläfernde Wirkung des Streichelns (oder vielleicht das vorhergehende „Melken" des Giftes) verhinderte ernstliche Schlangenbisse. Nach dem Tanz trugen die Pueblo-Indianer ihre Gäste in die vier Himmelsrichtungen zurück und setzten sie behutsam auf die Erde, wo sie hoffentlich ihrer Verpflichtung nachkommen und Regen schicken würden.

 

Der Dachs konnte dazu beitragen, die Zukunft vorherzusagen. Bevor Cheyenne zu einem Raubzug aufbrachen, erlegten die Krieger manchmal einen Dachs, schnitten ihm den Bauch auf, entfernten die Eingeweide und liegen den Kadaver eine Nacht lang auf einer Unterlage aus Beifuß liegen, so daß das Blut in der Bauchhöhle zusammenlief. Am nächsten Tag liegen die Männer ihr Haar herab, gingen nackt an dem toten Dachs vorbei und starrten auf das Blut herab, das wie ein trüber Spiegel wirkte. Sah ein Mann sein Spiegelbild mit Runzeln und weißem Haar, wußte er, daß er noch lange leben würde; sah er sich jedoch skalpiert und mit blutendem Kopf, erkannte er darin ein schlechtes Omen und kehrte auf dem Kriegspfad um. Auch eine Grille ließ sich für Weissagungen verwenden. Der Anführer einer Gruppe von Bisonjägern nahm sie in die Hand, wartete ab, bis das Tier sich beruhigt hatte, und sah dann nach, in welche Richtung die Fühler der Grille zeigten. In dieser Richtung sollten dann Bisons zu finden sein. Die Comanche vertrauten auf der Jagd auf einige weitere Helfer aus dem Tierreich. Sie forderten eine Krötenechse auf, ihnen zu sagen, wo Beute zu finden sei, ihrer Überzeugung nach beantwortete das Tier ihre Bitte dadurch, daß es in die Richtung lief, in der Bisons anzutreffen waren. Sie glaubten auch, ein Rabe, der viermal um ihr Lager flog und krächzte, fliege dann auf die Bisons zu, um seinen indianischen Freunden zu Fleisch zu verhelfen.

Diese Sonnentanzpuppe der Crow besaß die Macht, Rache zu gewähren.
Wurde ein naher Verwandter eines Mannes von einem Feind getötet,
ging der Trauernde zu einem Puppenbesitzer und bezahlte für das Recht,
diesen Sakralgegenstand zu benutzen.

Der Mann tanzte dann, das Gesicht der Puppe anstarrend,
bis sie ihn in einer Vision anwies, wann und wo er seinen Feind töten sollte

Eine Navaho-Rassel, die von einem Medizinmann geschüttelt wurde,
gab bei feierlichen Stammesgesängen den Takt an. Diese ist mit Adlerfedern und Pumafell verziert.
Zu religiösen Zwecken benutzte Rasseln waren so sehr Bestandteil der Plains-Kultur,
dag in der allen Stämmen gemeinsamen Zeichensprache
die dafür verwendete Schüttelbewegung als Symbol für alles Sakrale diente

In jedem Stamm gab es bestimmte Männer, denen außergewöhnliche Fähigkeiten im Umgang mit Geistern nachgesagt wurden. Wichtige Stammeszeremonien wie etwa das Menschenopfer der Pawnee und die Pfeilerneuerung der Cheyenne wurden von ausgebildeten priesterähnlichen Führern beaufsichtigt, die eine lange Lehrzeit hinter sich hatten und alle Einzelheiten dieser Rituale auswendig beherrschten. Ein Priester besaß nicht von sich aus übernatürliche Kräfte; er leitete die Teilnehmer nur während dieser Riten an, die dann spirituelle Hilfe bewirkten. Aber es gab andere geachtete Stammesmitglieder, denen man eine selbständige Entfaltung über natürlicher Kräfte zuschrieb. Dies wa ren die Medizinmänner.


Der Stand des Medizinmannes existierte in allen Stämmen des Westens, aber es gab für sie von Stamm zu Stamm oder sogar von Generation zu Generation Abweichungen in Form und Funktion. Obwohl der Medizinmann manchmal bei großen Zeremonien als Priester fungierte, ließ seine persönliche Kraft sich jederzeit zum Wohle anderer gebrauchen. Er (oder sie, da ältere, verheiratete Frauen ebenfalls spirituelle Kräfte erlangen konnten) konnte seine Kraft dazu verwenden, die Zukunft vorherzusagen, Liebeszauber auszusprechen, verirrte Tiere aufzufinden oder gutes Wetter zu machen. Manche Medizinmänner fungierten als Stammesärzte und hatten unter Umständen sogar Spezialgebiete wie Blutkrankheiten, Knochenbrüche oder Kriegsverletzungen.


Die spirituelle Kraft eines Medizinmannes beruhte stets auf einem Traum oder einer Trance, gewöhnlich nach einer im Gebet verbrachten längeren Fastenzeit. Bei diesen Visionen übergab ein Geist - etwa in Form eines Bären - große Kraft und erklärte, wie sie anzuwenden sei. Viele Medizinmänner waren außergewöhnlich intelligent und besagen eine starke Persönlichkeit. Ihre persönliche Ausstrahlung trug dazu bei, andere von der Verläglichkeit ihrer Hilfe zu überzeugen. Für ihre Dienste verlangten die Medizinmänner teilweise hohe Honorare - bis zu zwei Pferden für einen schwierigen Fall. Versagten die Geister jedoch, galt die Medizin dieses Mannes als schlecht, und er sah sich seines Lebensunterhalts beraubt.


Obwohl meistens ein Medizinmann hinzugezogen wurde, wenn es sich um besonders dringende Probleme handelte, konnte jedermann spontan irgendeinen Gefallen von den übernatürlichen Mächten erbitten, und wenn er dabei richtig vorging, konnte seine Bitte durchaus Erfolg haben. Eine einfache Methode, sich Hilfe zu sichern, bestand darin, einer Felsklippe, dem Nordwind, der Sonne oder dem Donner - alles Wohnsitze sakraler Wesen - eine Opfergabe wie eine Feder oder einen schönen Pelz darzubieten.


Dieses Medizinbündel, waxobe genannt, erfüllte jeden Osage-Krieger, der es betrachtete, mit neuem Mut.

Es gehörte dem gesamten Stamm und wurde in regelmäßigen Abständen geöffnet, um zeremoniell zur Schau gestellt zu werden.

Jeder Bestandteil des Bündels ist ein Tapferkeitssymbol: oben der Kopf und die Schultern eines Habichts,
in der Mitte ein Menschenskalp mit geflochtenem Haar und unten eine Adlerkralle und der Teil eines Bisonschwanzes

Ein Medizinmann der Ankara, der Anhänger des Bärenkults seines Stammes ist, bekleidet sich mit dem Fell eines Bären, den er erlegt hat.

Bei den Ankara gab es neun solcher Stammesorden für Medizinmänner, die jeweils einen eigenen Tiergeist verehrten und entsprechende Kostüme trugen.

Alle von Geistern verliehenen Kräfte, ob gekauft oder in einer Vision erlangt, waren durch Tabus begrenzt, deren Verletzung die übernatürliche Hilfe wirkungslos machte. Der Besitzer einer solchen Kraft mußte oft darauf verzichten, bestimmte Speisen zu essen. Ein Mann, dessen übernatürlicher Helfer ein Adler war, durfte niemanden hinter sich umhergehen lassen, während er aß, denn die Indianer glaubten, dies beunruhige Adler. Übernatürliche Kräfte mußten auch vor dem schädlichen Einfluß von Fett und menstruierenden Frauen bewahrt werden. Bei den Comanche wurde ein Schild, dem die Fähigkeit zugeschrieben wurde, Kugeln und Pfeile aufzuhalten, oft mindestens einen Kilometer weit vom Lager entfernt aufbewahrt, so daß menstruierende Frauen nicht in seine Nähe kommen konnten; brauchte ein Krieger dann seinen Schild, ging er in einem Halbkreis zu der Stelle, wo er ihn versteckt hatte, und kehrte in entgegengesetzter Richtung ins Lager zurück, so daß er einen vollständigen Kreis beschrieben hatte.


Das Durchbrechen eines Tabus konnte schlimmste Folgen haben. Ein Mann, dessen übernatürliche Macht ihm gute Gesundheit garantierte, konnte krank werden oder sogar sterben, wenn er verbotene Speisen zu sich nahm. Und ein Krieger, dessen spiritueller Helfer ihn im Kampf beschützte, geriet in Lebensgefahr, wenn er die mit seiner Kraft verknüpften Bedingungen nicht peinlich genau einhielt.

Wie solche Mythen zeigen, nahmen die Indianer die Freigebigkeit der Natur niemals als selbstverständlich hin. Sie glaubten im Gegenteil, die Natur neige von sich aus dazu, dem Menschen ihre Gaben zu verweigern. Ihrem Weltbild nach wurden die Grundkräfte der Natur durch Tätigkeit verbraucht, und wenn der Mensch nicht etwas unternahm, um diesen Kräfteverbrauch zu beenden, würden die Tiere allmählich verschwinden, die Pflanzen verdorren und die Menschen langsam verhungern.


Zwanzig oder mehr Plains-Stämme nahmen in periodischen Zeitabständen Zuflucht zu einer Sonnentanz genannten feierlichen Zeremonie, um diese äußerste Katastrophe zu verhindern. Das Ritual verdankte seinen Namen der bei den Sioux üblichen Bezeichnung „Blick-zur-Sonne-Tanz", aber seine Bedeutung ging vielleicht eher aus dem Namen hervor, den die Cheyenne dem Bau gaben, in dem die Zeremonie abgehalten wurde: „Neues-Leben-Hütte" oder „Hütte des Schöpfers". Der Zweck des Rituals war nichts weniger als eine völlige Neuschöpfung der ganzen Welt.


Da der Sonnentanz seine höchste Entwicklungsstufe offenbar bei den Arapaho, Cheyenne und Oglala-Sioux erreichte, ist sein Ursprung - oder zumindest die Entwicklung aus primitiveren Zeremonien - einer dieser Gruppen zugeschrieben worden. Vermutlich stammt der Sonnentanz aus einem Gebiet am oberen Missouri, denn die Stämme, bei denen er üblich war, zogen auf ihren Wanderungen durch dieses Gebiet oder hatten Handelsbeziehungen dorthin.


Die Mandan, die dieses Gebiet in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bewohnten, praktizierten eine besonders grausame Version des Sonnentanzes.

 

Obwohl es von Stamm zu Stamm einige Abweichungen gab, existierten genügend gemeinsame Elemente, so daß der Sonnentanz als einheitliche Zeremonie betrachtet werden kann. Das Ritual fand im Spätsommer oder Frühherbst statt, wenn die Erde am fruchtbarsten zu sein scheint, und erstreckte sich über mehrere Tage. Es wurde von jemandem veranstaltet, der sich durch ein Gelübde dazu verpflichtet hatte. Diese Person brauchte weder Priester noch Medizinmann zu sein, sondern war nur irgendein Stammesangehöriger, der dringend einen spirituellen Gunstbeweis brauchte oder im Traum den Befehl erhalten hatte, diese Rolle zu übernehmen. Für die Zeremonie wurde eigens eine nach Osten offene Hütte errichtet, in deren Mittelpunkt ein gegabelter Pfosten stand. In dieser Gabel ruhten Sakralgegenstände, zu denen ein Bündel Zweige (das Nest des Donnervogels) und eine Bisonhaut gehörten. Die Teilnehmer tanzten lange um den Sonnenpfahl herum, starrten die Heiligtümer an und versetzten sich dadurch vielleicht sogar in eine gewisse Autohypnose.

 

Den dramatischsten Aspekt des Sonnentanzes stellten die damit verbundenen Kasteiungen dar. Die Teilnehmer, hauptsächlich junge Krieger, verzichteten auf Essen und Trinken, tanzten bis zur Erschöpfung und zerschnitten sich manchmal das Fleisch oder hackten sich Finger ab. Bei bestimmten Stämmen war es üblich, daß ein junger Mann, der gelobt hatte, sich während der Zeremonie zu kasteien, sich von einem Medizinmann auf beiden Seiten der Brust je zwei kleine Löcher durch die Haut und ins Fleisch schneiden ließ. Der Medizinmann schob Holzpflöcke durch diese Löcher und band daran zwei Seile fest, deren Enden oben an dem Sonnenpfahl befestigt waren. Nun begann der junge Krieger zu tanzen, wobei er die Seile straffte. Konnte er sich nicht losreißen, schnitt der Medizinmann schließlich das Fleisch über den Pflöcken auf, um ihn freizusetzen.

 

Die mit dem Ritual verbundenen Kasteiungen galten als Nachweis äußerster Aufrichtigkeit - unabhängig davon, ob dabei Blut vergossen oder nur stundenlang getanzt wurde. Chased by Bears (Von Bären Gejagt), ein Sioux, stellte dazu fest: „Der Körper eines Mannes gehört ihm allein, und wenn er seinen Körper oder sein Fleisch gibt, gibt er das einzige, was ihm wirklich gehört."

 

Aber die Opfer des Sonnentanzes waren gut investiert. Nach dieser Zeremonie konnten die Indianer wieder mit Gesundheit, Fruchtbarkeit und reichlich Nahrung rechnen.
Die Welt war erneuert; ihre gesamten Harmonien waren wiederhergestellt, und ihre übernatürlichen Kräfte waren wiederbelebt und von neuem bereit, zum Wohle des Stammes zu wirken.

 

 

Die Invasion des weissen Mannes

Im Jahre 1829 richtete der Cree-Häuptling Speckled Snake (Gesprenkelte Schlange) folgende Worte an seinen Stamm, nachdem Präsident Andrew Jackson die Indianer gedrängt hatte, ihr Stammesgebiet im Süden zu verlassen und über den Mississippi zu ziehen:

 

„Brüder! Ich habe schon viele Reden unseres Großen Vaters gehört. Aber sie haben stets mit den gleichen Worten begonnen und geendet: "Geht etwas weiter fort; ihr seid mir zu nah." Ich habe gesprochen."


Der Häuptling sah deutlich voraus, was die Zukunft bringen würde. Bald sollten alle Indianer des Westens seinen Zorn teilen. Im Jahre 1841 brachte der erste Zug Waggons voller Pioniere über die Plains.


Innerhalb von zwei Jahren hatten über 1000 Weiße diese Reise gemacht und den Alltag der Indianer gestört, obwohl die meisten über die Rocky Mountains weiterreisten. Nach dem Bürgerkrieg erschloß das eiserne Pferd dann den Westen.

 

Siedler strömten ins Land: acht Millionen in zwanzig Jahren. Schließlich konnten die Indianer nicht mehr etwas weiter fortgehen. Es gab keine Ausweichmöglichkeit mehr.

Mutter Erde wird Grundbesitz

Im Jahre 1859 versammelte sich eine Anzahl ehrenwerter Bürger von Denver in dem dortigen Blake & Williams Hotel, um eine kurze Rede von Little Raven (Kleiner Rabe), einem führenden Arapaho-Häuptling, zu hören. Der Häuptling sprach nicht lange, und einige Feinheiten seiner Ausführungen sind für immer verlorengegangen; der Dolmetscher, der offenbar zuviel Feuerwasser getrunken hatte, fiel schon frühzeitig von seinem Stuhl.

 

Aber die Hauptpunkte der Ansprache sind überliefert. Er führte aus, er habe seine weißen Brüder gern und freue sich über die Goldfunde in der näheren Umgebung. Aber er gab auch der Hoffnung Ausdruck, daß die Weißen nicht allzu lange bleiben würden, und erinnerte sie daran, daß alles Land in der Umgebung von Denver den Arapaho gehörte.

 

Die Stadtväter schüttelten Little Raven die Hand und überreichten ihm Geschenke. Sie fanden ihn recht sympathisch; der Häuptling war ein liebenswürdiger und höflicher Mann, und einer seiner Gastgeber stellte etwas gönnerhaft fest, daß er „wie ein weißer Mann mit Messer und Gabel umgeht und seine Zigarren raucht". Aber die von dem Häuptling ausgedrückte Hoffnung, der Abzug der Weißen stehe unmittelbar bevor, hatte nicht mehr Gewicht als Flaum von einer Pappel, der von einem Wirbelwind über die Prärie geblasen wird.

Die Weißen würden nie mehr fortgehen, und die Bürger Denvers machten sich keine allzu großen Sorgen wegen der Behauptung des Häuptlings, das Land „gehöre" den Indianern. Tatsächlich muß bezweifelt werden, daß sie sonderlich auf diesen Teil seiner Rede achteten. Trotzdem war der Begriff des Grundeigentums der springende Punkt des Konflikts zwischen Indianern und Weißen, als der weiße Mann ständig weiter in Gebiete vordrang, die bis dahin ausschließlich den Indianern gehört hatten.

 

Für die weißen Amerikaner war Land gleichbedeutend mit Immobilien: Grundbesitz, der verkauft, gekauft und genutzt werden konnte - um ihn unter den Pflug zu nehmen, Bodenschätze abzubauen oder Häuser darauf zu errichten. Außerdem war es Privatbesitz, der Einzelpersonen gehörte. Aber die Indianer meinten etwas anderes, wenn sie sagten, das Land gehöre ihnen. Das Land der Indianer gehörte ihnen allen. Ein Mann konnte Pferde, Bogen und Pfeile und andere zur Jagd benötigte Gerätschaften besitzen. Auf gleiche Weise konnten seiner Frau Pferde, der Tipiüberzug oder Kochgeräte gehören. Aber das Land war Gemeinschaftseigentum. Ganz allgemein ließ sich feststellen, daß das Land von dem Indianerstamm gemeinsam verwaltet, aber nicht im Sinne der Weißen besessen wurde. Das Land war etwas, das alle Stammesangehörigen schätzen mußten; nicht etwas, das von einzelnen ausgebeutet werden durfte. Als der ShawneeHäuptling Tecumseh im Jahre 1806 gegen das Vordringen der Weißen in indianische Stammesgebiete protestierte, definierte er die Einstellung der Indianer:

 

„Die einzige Möglichkeit, dieses Übel aufzuhalten, besteht darin, daß die roten Männer sich vereinigen, um das Land als ihren gemeinsamen Besitz zu beanspruchen, was es zuerst war und noch jetzt sein sollte.
Kein Stamm hat das Recht, es zu verkaufen, selbst untereinander nicht, noch viel weniger an Fremde. Ein Land verkaufen! Warum nicht die Luft, das große Meer wie die Erde verkaufen?"

 

Die indianischen Emotionen reichten tief. Der Indianer des Westens sah sich als Bestandteil der Natur, mehr als ihr Untertan denn als ihr Eroberer. Vor allem sah er die Höhen und die weiten Entfernungen, die sich nur überwinden ließen, indem man Fuß- oder Hufabdrücke auf dem Land hinterließ. Die Erde enthielt viel Einsamkeit, und der Mensch schien kein wichtiger Faktor in ihrem Gefüge zu sein; die Erde trug jedenfalls Frucht, nachdem sie durch Samen, Regen und Sonnenschein befruchtet worden war - ohne menschliches Zutun. Nach indianischer Auffassung war das Land die Mutter Erde, und dies war einer der Gründe, weshalb kein Indianer glaubte, sie zu besitzen oder daß jemand anders sie besitzen könnte.

Wie Luther Standing Bear (Stehender Bär), ein DakotaSioux, schrieb: „Der Dakota war ein Naturliebhaber. Er liebte die Erde und alle Dinge der Erde, wobei diese Zuneigung mit wachsendem Alter zunahm. Die alten Menschen lernten buchstäblich, das Erdreich zu lieben, und sie sagen oder lagen mit dem Gefühl auf der Erde, einer mütterlichen Kraft nahe zu sein. Für die Haut war es gut, die Erde zu berühren, und die alten Leute zogen gern ihre Mokassins aus und gingen barfuß über die heilige Erde. Der Boden war beruhigend, stärkend, reinigend und heilend."


Die Liebe der Indianer zu ihrem Land basierte ebenso häufig auf praktischen Überlegungen wie auf religiösen Überzeugungen. Eine Beschneidung des Stammesgebietes konnte bedeuten, daß sie ihr Kriegerleben aufgeben mußten: Das stolze Leben auf den Plains, die erregende Galoppjagd nach dem Bison, den im Morgengrauen ausgeführten Überfall aufs feindliche Lager und die Aufzählung tapferer Coups am abendlichen Lagerfeuer, während die Frauen und Kinder im Halbschatten der züngelnden Flammen bewundernd - und voller Respekt - zuhörten.


Bei der im Jahre 1867 in Medicine Lodge in Südkansas stattfindenden Ratsversammlung erklärte der Kiowa-Häuptling Satanta - White Bear - den Regierungskommissaren:
„Ich habe gehört, daß ihr beabsichtigt, uns in einer Reservation in der Nähe der Berge anzusiedeln. Wenn wir seßhaft werden, werden wir blaß und sterben. Vor langer Zeit hat dieses Land unseren Vätern gehört; aber wenn ich flußaufwärts gehe, sehe ich Soldatenlager an den Ufern. Diese Soldaten fällen meine Bäume; sie erlegen meine Bisons; und wenn ich das sehe, könnte mein Herz bersten; ich fühle Trauer. Ich habe gesprochen." Satanta war ein brillanter Diplomat und ein politischer Denker, der als militant-progressiv charakterisiert werden konnte. Er hatte weiße Händler in seinem Land willkommen geheißen und selbst gelernt, ein Signalhorn der U.S. Army zu blasen. Es war eher rhetorische Geschicklichkeit als die Wahrheit, die aus seinen Worten sprach, als er sagte: „Vor langer Zeit hat dieses Land unseren Vätern gehört", denn die geschichtsbewußten Kiowa erinnerten sich recht gut daran, daß sie aus dem Norden eingewandert waren. Aber Satantas Gerissenheit nützte ihnen nichts. Zwischen 1840 und 1870 wurde das Gebiet der Kiowa und Dutzender anderer Stämme mit fairen oder unfairen Methoden ins Eigentum des Staates übergeführt. Allein zwischen 1853 und 1857, auf dem Höhepunkt der Landnahme, überließen die Indianer den Weißen 704 000 Quadratkilometer.

Der Methodist J. J. Methvin, einer der vielen Missionare, die bei den Plains-Stämmen Seelen zu retten versuchten, wird hier im Indian Territory mit einigen Kiowa-Kindern und dem Fahrrad gezeigt, das er einem Pferd als Transportmittel vorzog
Der Methodist J. J. Methvin, einer der vielen Missionare, die bei den Plains-Stämmen Seelen zu retten versuchten, wird hier im Indian Territory mit einigen Kiowa-Kindern und dem Fahrrad gezeigt, das er einem Pferd als Transportmittel vorzog

Ganz gewiß war nicht allen Indianern bewußt, was sie da verkauften. Einige von ihnen begriffen durchaus, daß sie sämtliche Besitzansprüche abtraten. Andere waren der Meinung, nur Jagd-, Fischfang- oder Weiderechte einzuräumen, und behielten sich teilweise das Recht vor, die gleichen Gebiete selbst zu diesen Zwecken zu nutzen. Wieder andere Indianer glaubten, den Weißen nur zu gestatten, durch ihr Stammesgebiet zu ziehen.


Unabhängig davon, was die Indianer glaubten, nahm der Druck auf ihre ererbten Stammesgebiete in geometrischer Progression zu. Seit dem Jahre 1840 hatte sich die weiße Einwanderung in den Westen beschleunigt. Flußdampfer fuhren, weißliche Dampfwolken ausstoßend, den Missouri hinauf. Ganze Kolonnen von Ochsenwagen schlängelten sich den Platte River entlang nach Westen, durchquerten Wyoming, überwanden die Wind River Range und fuhren nach Oregon und Kalifornien weiter. Andere Wagenzüge folgten dem Arkansas und kamen den Canadian River stromaufwärts durch das Gebiet der Kiowa.

 

 

Zum Schutz der Auswanderer lieg die Bundesregierung überall im Westen Armeeposten errichten. Die Indianer hofften, diese Forts seien nur zeitweilige Niederlassungen, aber die Soldaten ritten Jahr für Jahr durchs Land, und das schmetternde Hornsignal von „Boots and Saddles" wurde ebenso ein Bestandteil der Landschaft des Westens wie die Kochfeuer der Apache und Kiowa - und ein Bestandteil, der starke Ressentiments weckte. Im Jahre 1875 begann die Butterfield Stage Line, die die Überlandpost beförderte, mit den ersten fahrplanmäßigen Fahrten quer durch den Westen: von Missouri aus über Indianergebiet, durchs Herz des Stammesgebiets der Comanche in West Texas, durchs Stammesgebiet der Apache in New Mexico und Arizona und weiter nach Los Angeles. Mit den Postkutschen und Flugdampfern trafen auch zahlreiche weitere Missionare ein, die eifrig bemüht waren, die Indianer zu dem Glauben an einen christlichen Gott zu bekehren.

 

Die Suche nach Gold blieb ein ebenso wirksames Lockmittel wie der Wunsch, Seelen zur höheren Ehre Gottes zu bekehren. Der im Jahre 1848 in Kalifornien ausbrechende Goldrausch lockte Zehntausende nach Westen und bewirkte eine unvorhersehbare Tragödie. Schon früher hatten Händler die Pocken bei den Indianern eingeschleppt; jetzt gelangte die Cholera, die mit deutschen Auswanderern nach Amerika gekommen war, nach Westen und brachte ganzen Indianergruppen einen schmerzhaften und furchteinflößenden Tod. Nach zeitgenössischen Schätzungen fielen etwa die Hälfte aller der am oberen Arkansas lebenden Cheyenne dieser Seuche zum Opfer.


Außerdem blieben Kalifornien und Colorado nicht die einzigen Gebiete, in denen im Westen Gold zu finden war. Anfang der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts wurden Goldgräber bei Bannack City und Virginia City, Montana, fündig, was weitere Scharen von Weißen dorthin lockte. Für sie waren die High Plains noch immer die Große Amerikanische Wüste, die nur existierte, um durchquert zu werden, und auf ihrem Durchzug durchfurchten sie die Plains mit Wagenspuren, schossen alles Wild und fällten sämtliche Bäume entlang aller durch den Westen führenden Straßen. Westlich des Missisippi schossen primitive Grenzersiedlungen von Minnesota bis hinunter nach Arkansas aus dem Boden, und weiße Siedler steckten ihre Homesteads ab. Von Südwesten her trieben Rancher - Kalifornier, Texaner und Mexikaner - ihre Longhorn-Rinder auf Indianerland und behaupteten, dabei handele es sich um freies Weideland, das den Herden jedes Ranchers offenstehe. Mitte der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts brachten die Weißen lärmende eiserne Ungeheuer mit, die Rauch ausstießen, Feuer schnaubten und auf einer Spur aus Eisen liefen.

 

Dieser Vorstoß weißer Pioniere wurde von eindrucksvollen Reden im amerikanischen Kongreß und von hochtönenden Ausführungen in den Leitartikeln an der Ostküste erscheinender Zeitungen begleitet. Es sei, trompetete der New Yorker Democratic Review schon 1845, „unser offenkundiger Schicksalsauftrag, den uns von der Vorsehung für die freie Entwicklung unserer sich jährlich vervielfachenden Millionen geschenkten Kontinent mit Siedlungen zu überziehen".


John L. O'Sullivan, der Herausgeber des Review, schrieb zwar über die vorgeschlagene Annexion von Texas, aber der Ausdruck „offenkundiger Schicksalsauftrag" und die dazugehörige Einstellung wurden von den Expansionisten aufgegriffen. „Es ist unsere große Aufgabe", verkündete Senator lohn C. Calhoun aus South Carolina, „dieses weite kontinentale Reich zu besiedeln."


Der offenkundige Schicksalsauftrag war in Wirklichkeit eher ein nachträglicher Erklärungsversuch als eine treibende Kraft. Der Frontiersman wollte Land, Gold, Chancen, Bewegungsfreiheit und die Gelegenheit, der Welt zu beweisen, was er leisten konnte, wenn er nicht von den im Osten eingeführten sozialen und wirtschaftlichen Spielregeln eingeengt wurde. Er hielt sich dabei an ein seit langem etabliertes Prinzip, das als selbstverständlich galt - daß die Ureinwohner Nord- und Südamerikas kein moralisches Recht hatten, sich der Ausdehnung der europäischen Zivilisation in den Weg zu stellen.

Im Rahmen der von den Weißen geplanten Umsiedlung von Indianerstämmen in Reservationen nehmen die Dampfer "General Terry" und "Josephine" eine Gruppe vonSioux an Bord, um sie zur Standing Rock Agency im Dakota Territory zu bringen.
Im Rahmen der von den Weißen geplanten Umsiedlung von Indianerstämmen in Reservationen nehmen die Dampfer "General Terry" und "Josephine" eine Gruppe vonSioux an Bord, um sie zur Standing Rock Agency im Dakota Territory zu bringen.

Im allgemeinen waren die Vereinigten Staaten von Anfang an bemüht - zumindest auf den höheren Regierungsebenen -, die Rechte der Indianer entsprechend zu achten. Die Regierung erkannte das indianische Eigentumsrecht auf das Land an und bestätigte die indianische Souveränität in einem Vertrag nach dem anderen. Die „Grundlage unserer Verhandlungen mit den indianischen Nationen", schrieb George Washington, „ist stets Gerechtigkeit gewesen und wird es auch in Zukunft sein" - eine Auffassung, der Thomas Jefferson sich später anschloß. Sofern indianische Gebiete „noch nicht von den Indianern abgetreten worden sind", erklärte er, „ist es notwendig, daß die Petenten zuvor ihr Recht käuflich erwerben". Jefferson verkündete die amtliche amerikanische Politik, die mit der Northwest Ordinance des Jahres 1787 eingeleitet worden war. Auch darin war eine gütige Politik vorgeschrieben worden: „Den Indianern gegenüber soll stets äußerste Redlichkeit gewahrt werden; ihr Land und ihr Besitz sollen ihnen niemals ohne ihr Einverständnis abgenommen werden; und in ihrem Besitz, ihren Rechten und ihrer Freiheit sollen sie niemals angetastet oder beeinträchtigt werden, es sei denn in vom Kongreß gebilligten gerechten und gesetzmäßigen Kriegen."

 

Das waren natürlich hochgesteckte Ziele, aber die Indianer hatten oft den Eindruck, der Große Vater, wie sie den jeweils amtierenden Präsidenten nannten, neige dazu, etwas zu versprechen und dann etwas ganz anderes zu tun. Trotzdem bleibt die Vermutung bestehen, der Unterschied zwischen den in Washington zum Ausdruck gebrachten hohen Idealen und der im Westen geübten Alltagspraxis beruhe weniger auf hinterlistigen Absichten der Weißen als vielmehr auf der fast unlösbaren Kompliziertheit des Problems. Schließlich hatte die amerikanische Nation im Jahre 1789 als eine kleine Ansammlung von Menschen begonnen - insgesamt nur etwa vier Millionen -, die in einer verhältnismäßig dünnen Linie entlang der Ostküste verteilt gewesen waren. Als Andrew Jackson im Jahre 1829 Präsident wurde, war die Bevölkerung bereits auf 12,5 Millionen angewachsen. Der Druck nach Westen war gewaltig, und auf diese Weise wurde der auf die Indianer ausgeübte Druck im Laufe der Jahre immer unerbittlicher.

 

Die amerikanische Regierung hatte bereits Gesetzesvorlagen eingebracht, die indianische Angelegenheiten betrafen, und Verträge mit den Stämmen abgeschlossen, bevor der Kongreß im Jahre 1806 im Kriegsministerium das Amt des „Superintendent of Indian Trade" einrichtete. Der neue Superintendent hatte die Aufgabe, das Faktoreisystem zu beaufsichtigen, durch das die Vereinigten Staaten alle in ihrem Zuständigkeitsbereich lebenden Indianer mit den wichtigsten Handelswaren zum Selbstkostenpreis versorgte. Das war ein hochanständiges Experiment, aber kommerzielle Interessen, denen es darum ging, im Handel mit den Indianern Gewinne zu erzielen, erzwangen im Jahre 1822 seine Beendigung. Im Jahre 1824 richtete der Kriegsminister in seiner Behörde ein Bureau of Indian Affairs ein, das den Auftrag hatte, durch einen Superintendenten und Agenten alle die Indianer betreffenden Angelegenheiten zu bearbeiten. Diese Dienststelle wurde im Jahre 1849 dem Innenministerium angegliedert.


Eine der Methoden, die die amerikanische Regierung im Umgang mit der Urbevölkerung anwendet, war die Umsiedlung - der Kauf indianischer Gebiete und der Transport ihrer früheren Besitzer in neue Stammesgebiete im Westen -; diese Praxis stammte noch aus der Kolonialzeit. Die Indianer des Südostens, darunter auch die Masse der Cherokee, wurden durch Übereinkünfte, die ihnen die weiße Macht aufgezwungen hatte, in Gebiete westlich des Mississippi umgesiedelt.

Diese beiden Mandan gehörten zu den 31 Überlebenden ihres einst 1 600 Köpfe starken Stammes, der 1837 von den Pocken heimgesucht worden war. Derselben Seuche fielen etwa die Hälfte der 4 000 benachbarten Ankara und Hidatsa zum Opfer.
Diese beiden Mandan gehörten zu den 31 Überlebenden ihres einst 1 600 Köpfe starken Stammes, der 1837 von den Pocken heimgesucht worden war. Derselben Seuche fielen etwa die Hälfte der 4 000 benachbarten Ankara und Hidatsa zum Opfer.

Die Erlebnisse der Creek in Alabama waren charakteristisch. Sie hatten sich den Gesetzen dieses Bundesstaates unterworfen; im Jahre 1831 führte ein Creek-Häuptling offiziell Beschwerde darüber, daß 1500 Siedler auf Indianerland Farmen absteckten. Washington reagierte darauf mit der Ankündigung, die Creek würden in eine Reservation im Westen umgesiedelt werden, und im Jahre 1832 kam es zur Unterzeichnung eines Vertrags, durch den sie ihr Stammesgebiet in Alabama aufgaben. Der Vertrag enthielt eine Klausel, nach der einzelne Creek auf Grundstücken in Privatbesitz in Alabama zurückbleiben durften. Aber Weiße brachten diese im Lande gebliebenen Creek schon bald um ihren Grundbesitz:
Sie setzten den Eigentümer unter Alkohol und ließen ihn einen Kaufvertrag unterschreiben; sie fälschten Urkunden, und sie beeinflußten Gerichtsverhandlungen zu ihren Gunsten. Schon im Jahre 1835 gehörte keinem Creek mehr ein Grundstück in Alabama, und nach einem Aufstand wurden die restlichen Indianer zwangsweise in das Indian Territory umgesiedelt.

Die Reservation war alles andere als eine Ideallösung. Der ursprünglichen Planung nach war eine Reservation keineswegs ein Konzentrationslager, denn der Indianer konnte sie jederzeit verlassen. Tatsächlich mußte er sie verlassen - und verließ sie auch häufig -, wenn er auf der Jagd war. Die Reservation war den Indianern als Stammesgebiet garantiert und sollte von jeglichen Vorkaufsrechten oder Übergriffen von weißer Seite frei sein. In dem Vertrag oder der Übereinkunft zur Errichtung einer Reservation trat der betreffende Indianerstamm oft andere Gebiete an die Vereinigten Staaten ab. Im Jahre 1861 verzichteten beispielsweise die Arapaho auf ihren gesamten Landbesitz in Nebraska, Kansas, Colorado und Wyoming und behielten nur eine Reservation im östlichen Colorado. Neben Ausgleichszahlungen bot die Regierung oft noch bestimmte weitere Entschädigungsleistungen an. Dazu konnte beispielsweise gehören, daß die Regierung Schmiede, Müller, Lehrer und Landwirtschaftsexperten zu den Indianern entsandte. Solche Übereinkünfte bestimmten oft, eine finanzielle Entschädigung sei nicht auf einmal auszuzahlen, sondern in Form jährlicher Lebensmittel- und Gerätelieferungen zu leisten, zu denen kleinere Geldbeträge kamen, die bei einem lizensierten Händler ausgegeben werden konnten.

 

 

Theoretisch war diese Politik wohltätig; in der Praxis waren jedoch viele Beobachter der Meinung, das Annuitätensystem erziehe die Indianer zur Faulheit. Das traf bis zu einem gewissen Ausmaß zu und war kaum überraschend. Die Indianer, schrieb der Superintendent of Indian Affairs im Oregon Territory, „neigen nicht zu Fleiß und Sparsamkeit, solange sie ihre Bedürfnisse auf andere Weise befriedigen können".
Daraus konnte man den Indianern kaum einen Vorwurf machen, aber dieses System hatte zudem weitere Fehler. Die im Rahmen des Annuitätsplans gelieferten Waren und Lebensmittel waren oft von schlechter Qualität oder den Bedürfnissen der Indianer ungenügend angepaßt. Außerdem litten die Indianer Hunger, wenn die Annuitäten wegen bürokratischer Fehlleistungen oder offener Diebstähle durch weiße Beamte oder Händler nicht bei ihnen ankamen.
Die Grundlage aller dieser Verfahren war die Oberzeugung, es gebe nur eine Möglichkeit, die kriegerischen Indianer zu befriedigen: indem man sie zu Farmern machte. Sie sollten friedliche Ackerbauer und Viehzüchter werden wie der weiße Mann und Jagd und Krieg des roten Mannes aufgeben. Aber nur wenige Krieger interessierten sich für Landwirtschaft; in ihren Augen war das alles Frauenarbeit. Und selbst wenn sie bereit gewesen wären, Farmer zu werden, waren die an der Ostküste entwickelten landwirtschaftlichen Methoden, mit denen die Regierungsstellen die Indianer vertraut zu machen suchten, auf den trockenen Plains nur selten anwendbar.

 

Eine Schlüsselrolle im Rahmen der amerikanischen Indianerpolitik fiel dem Indianeragenten zu: einem Angestellten des Bureau of Indian Affairs, der den manchmal gefährlichen Auftrag hatte, Stämmen - die unter Umständen feindselig waren - Versorgungsgüter und Annuitäten auszuliefern und nach Möglichkeit dafür zu sorgen, daß die abgeschlossenen Verträge von beiden Seiten eingehalten wurden. Falls die Indianer zu diesem Mann Vertrauen hatten und falls er seinerseits Mitgefühl mit ihnen empfand, konnten die Ideale dieser Politik gelegentlich mit der Realität übereinstimmen. Aber gute Indianeragenten waren selten; William Bent gehörte zu den Großen. Aber es gab zu wenige Männer seiner Art. Ein weiterer guter Agent, der Bent gleichkam, war der aus den Bergen stammende Thomas Fitzpatrick, der bei den Indianern Broken Hand (Gebrochene Hand) hieß. Fitzpatrick, der im Jahre 1846 zum Agenten für die Stämme an den Arkansas, Platte und Kansas Rivers ernannt wurde, gehörte zu den wenigen Menschen in Amerika, die sich über die mit seiner Aufgabe verbundene ernste Verantwortung im klaren waren;


zu den von ihm betreuten Stämmen gehörten viele der kriegerischsten Indianer des Westens: Sioux, Shoshoni und Arapaho. Auf seinen engagierten Rat hin beschloß die Regierung die Errichtung eines Forts in Laramie, dem Standort einer alten Pelzhandelsstation am Zusammenfluß der Laramie und North Platte Rivers im Südosten des jetzigen Bundesstaates Wyoming. Im Frühjahr 1850 sah Fitzpatrick über 50 000 Goldgräber auf ihrem Weg zu den Goldlagerstätten in Oregon und Kalifornien an Fort Laramie vorbeiziehen und in ihrem Kielwasser Tod und Zerstörung auf den Plains hinterlassen: verdorrendes Gras, Tausende von toten Bisons und Tote bei Indianern wie bei Weißen - vor Hunger und an der mit den Wagenzügen eingeschleppten Cholera gestorben. Trotzdem blieben die Sioux ruhig. „Ich habe keinen Grund gehabt, mich über die Indianer oder ihr Verhalten in den beiden vergangenen Jahren zu beschweren", berichtete Fitzpatrick.

 

 

Aber die Klagen der Indianer waren zahlreich, und Fitzpatrick fürchtete, es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis die Indianerstämme sich zum Kampf gegen die weißen Siedler und gegeneinander erheben würden; außerdem fand er, die Indianer hätten eine Entschädigung für die auf ihren Gebieten angerichteten Schäden und die Dezimierung der Bisonherden verdient, und meinte, die „Gerechtigkeit", von der George Washington vor wenig mehr als 50 Jahren gesprochen hatte, müsse nun verwirklicht werden.


Es gelang Fitzpatrick - einigermaßen zu seiner eigenen Verblüffung -, den Kongreß davon zu überzeugen, entsprechende Mittel bereitzustellen, damit in Laramie eine große Konferenz aller Stämme, für die er zuständig war, stattfinden konnte. Sein Ziel war es dabei, die Sicherheit der Wagenzüge zu garantieren, indem er die Indianer veranlaßte, ihnen das Durchfahrtsrecht durch ihre Gebiete zu gewähren, und die Grenzen ihrer jeweiligen Stammesgebiete verbindlich festzulegen, um Kriege zu verhindern, die sich über die gesamten Plains ausbreiten konnten. Erstaunlicherweise kamen im Herbst 1851 tatsächlich Vertreter der meisten Stämme nach Laramie, darunter auch Gruppen der Sioux und der Crow, die Todfeinde waren. Sogar eine Delegation der Shoshoni, die sowohl mit den Sioux als auch mit den Cheyenne verfeindet waren, traf aus ihren Jagdgründen im Westen ein. Insgesamt kamen 10 000 Vertreter von neun Stämmen zusammen: die größte Indianerversammlung, die Nordamerika je gesehen hatte. Ein weißer Beobachter fand es sehr bedauerlich, daß kein „Maler oder Daguerreotypist" anwesend war. Es war geradezu ein Wunder, daß die Indianer der zentralen und nördlichen Plains, von denen jeder Stamm seine Tapferkeit und Macht zur Schau stellte, sich friedlich versammelten und mit ehrlichen Absichten einen Vertrag unterzeichneten.

Ein ebenso großes Wunder war die Tatsache, daß die Stämme eine Begrenzung ihrer jeweiligen Jagdgründe akzeptierten. Auf diese Weise schien es möglich, den Frieden auf den Plains zu sichern, indem die Landnutzungsrechte der Stämme beschnitten wurden. Die Indianer erklärten sich unter anderem damit einverstanden, daß die Regierung in ihrem Gebiet Straßen baute und Stützpunkte der U.S. Army errichtete; als Entschädigung dafür sollten sie 50 Jahre lang Annuitäten im Werte von jeweils 50 000 Dollar erhalten. Der amerikanische Senat setzte diese 50 Jahre später während des Ratifizierungsvorganges auf zehn Jahre herab (die der Präsident auf 15 erhöhen konnte).

 

Beide Seiten handelten in guter Absicht, aber selbst ein Vertrag dieser Art konnte nicht lange Bestand haben. Die Weißen betrachteten das Gebiet der Plains-Stämme noch immer als ein reines Durchgangsgebiet; sie sahen nicht voraus, wie viele Tausende von Weißen es in den kommenden Jahren durchqueren würden - und wie viele beschließen würden, sich dort niederzulassen. Auch die Indianer konnten dies nicht ahnen. Sie waren bereit, ein paar Forts und ein paar Durchreisende zu dulden, aber keinen Ansturm ganzer Horden, die ihre Mutter Erde besetzten.

 

Nach nur drei Jahren und einem kleineren Zwischenfall wurde der Vertrag von Laramie jedoch bereits zerrissen. Im Sommer 1854 versammelten die Indianerstämme sich vor Fort Laramie, um ihre Annuitäten in Empfang zu nehmen. Ein Sioux schoß auf eine lahmende Kuh und schlachtete das Tier, das entweder einer Wagenkolonne entlaufen oder von ihr zurückgelassen worden war. Ihr Eigentümer, der auf Schadenersatz hoffte, beschwerte sich bei dem Kommandeur von Laramie, und ein hitzköpfiger junger Leutnant, John L. Grattan, brach eifrig auf;um den schuldigen Indianer festzunehmen.

 

Dazu hatte die U.S. Army jedoch kein Recht, denn der in Fort Laramie geschlossene Vertrag sah vor, daß sowohl Weiße als auch Indianer nur von ihresgleichen bestraft werden sollten. Nach langen Verhandlungen und Protesten weigerten die Indianer sich, den Sioux an die Soldaten auszuliefern. Grattan ließ eine Salve abschießen; ein einflußreicher Häuptling wurde tödlich verwundet, und in dem daraus entstehenden Kampf wurden Grattan und seine 30 Mann starke Abteilung restlos aufgerieben. Grattan wurde mit 24 Pfeilen im Körper tot aufgefunden. Die U.S. Army schickte selbstverständlich Strafexpeditionen aus, die Indianer setzten sich selbstverständlich zur Wehr, und der durch den Vertrag von Fort Laramie erreichte Frieden blieb dabei auf der Strecke.

 

Im Jahre 1862, als Nord- und Südstaaten im Bürgerkrieg gegeneinander kämpften, bekam der Grenzstaat Minnesota die Raserei einer noch grundlegenderen internen Auseinandersetzung zu spüren. Die Santee-Sioux, die ein Jahrzehnt traumatischer Veränderungen in einer schmalen Reservation am oberen Minnesota River ertragen hatten, führten den ersten großen Angriff der Indianerkriege, die den Westen Amerikas viele Jahre lang erschüttern sollten.

 

Elf Jahre zuvor hatte der Stamm 97 000 Quadratkilometer seiner Jagdgründe für einen Pauschalbetrag von 1’665’000 Dollar und die Zusicherung weiterer jährlicher Zahlungen abgetreten. Seitdem waren einige ernstgemeinte Versuche gemacht worden, die Indianer allmählich in die Gesellschaft der Weißen einzugliedern. Indianerfamilien wurden Ziegelhäuser angeboten (rechts), wenn sie sich bereit erklärten, ihr Jägerdasein aufzugeben und Farmer zu werden. Viele der Indianer, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machten, lebten jedoch weiterhin in ihren Tipis und benützten die Häuser als Scheunen.

 

Zu diesem Bruch mit ihrer Kultur kam noch, daß die Sioux allmählich immer abhängiger von Handelswaren wurden, was sie zu einer leichten Beute für weiße Händler machte, die ihnen Kredit gaben und dann direkt bei der Regierung kassierten. Auf diese Weise bekamen die Indianer wenig von den Annuitäten zu sehen, für die sie ihr Erstgeburtsrecht verkauft hatten. Ihr Zorn erreichte schließlich den Siedepunkt, als die jährlich zu leistende Zahlung nach einem Winter, in dem sie dem Hungertod nahe gewesen waren, nicht rechtzeitig einging.

Große Ereignisse haben oft triviale Anlässe, und das Massaker in Minnesota bildet in dieser Beziehung keine Ausnahme. Am Sonntag, dem 17. August 1862, kamen vier Sioux-Krieger nach einem Jagdausflug zu Fuß in ihre Reservation zurück. In der Nähe des kleinen Hauses des Siedlers Robinson Jones entdeckten sie einige Hühnereier in einem Nest. Als einer der Krieger nach den Eiern griff, forderte ein anderer ihn auf, sie liegenzulassen, weil sie einem Weißen gehörten. Daraufhin ließ er sie wütend auf der Erde zerschellen und warf dem anderen vor, er sei ein Feigling. „Ich habe keine Angst vor Weißen", antwortete dieser, „und um das zu beweisen, bring' ich einen um."


Kurze Zeit später waren Jones, seine Frau, seine Tochter und zwei Nachbarn tot - von den Sioux erschossen -, und die Indianer galoppierten auf gestohlenen Pferden in die Reservation zurück.

 

Nachdem sie berichtet hatten, was sie getan hatten, wurde hastig eine Ratsversammlung aus mehreren Sioux Dörfern einberufen. Die Häuptlinge berieten die ganze Nacht lang. Sie standen vor der Wahl, die Mörder demütig den Weißen auszuliefern oder einen Krieg gegen sie zu führen. Beide Lösungen fanden Befürworter. Little Crow (Kleine Krähe), der bedeutendste Häuptling, warnte die anderen: „Tötet einen, zwei, zehn, und zehnmal zehn werden kommen, um euch zu töten" - eine prophetische Warnung, die jedoch unbeachtet blieb. Little Crow ließ sich von den anderen Häuptlingen dazu überreden, am nächsten Morgen einen Angriff auf die staatliche Agentur bei Redwood Falls zu befehlen. Was dann folgte, geht aus einer Zeugenaussage hervor: „Gruppen versammelten sich und ritten in die Nacht hinaus, um die Siedler zu ermorden." Obwohl die Indianer einige Gefangene machten und sogar etliche Siedler, die sie als ihre Freunde betrachteten, verschonten, wurden fast alle Weißen auf der Stelle getötet.

 

Nachdem der Aufstand niedergeschlagen worden war, wurden schaurige Geschichten über Terror und Grausamkeit der Indianer von John Stevens, einem einheimischen Maler, in einem Panorama unbeholfener Bilder dargestellt und in ganz Amerika gezeigt.

Nach diesem Aufstand hielten viele der empörten Weißen sich an die Richtschnur, nackte Gewalt sei das einzige Gesetz, das die Indianer des Westens begriffen - während andere für friedliche Verständigung warben.

Danach folgten abwechselnd Kämpfe und Waffenstillstände, bis dann die U.S. Cavalry im Jahre 1876 aufbrach, um diesem Wechsel in der großen Schlacht gegen die Sioux am Little Bighorn ein für allemal ein Ende zu bereiten

Der blutbefleckte Weg zum Krieg

Im Frühwinter des Jahres 1864 feierten die Weißen in Denver einen großen militärischen Sieg über die Indianer. Schlagzeilen der dortigen Rocky Mountain News vom 8. Dezember verkündeten die erregende Nachricht:

GROSSE SCHLACHT MIT INDIANERN! DIE WILDEN ZERSPRENGT! 500 INDIANER GETOTET UNSERE VERLUSTE 9 TOTE, 38 VERWUNDETE

Am 29. August 1864 diktierte der Cheyenne-Häuptling Black Kettle den abgebildeten Brief mit einem Friedensangebot. Trotzdem wurden drei Monate später 123 Cheyenne am Sand Creek mit unmenschlicher Brutalität niedergemetzelt.
Am 29. August 1864 diktierte der Cheyenne-Häuptling Black Kettle den abgebildeten Brief mit einem Friedensangebot. Trotzdem wurden drei Monate später 123 Cheyenne am Sand Creek mit unmenschlicher Brutalität niedergemetzelt.

Unter einer weiteren Überschrift - „Ausführlicher Bericht" - brachte die Zeitung eine Schilderung der Schlacht, die neun Tage zuvor am Sand Creek im östlichen Colorado geschlagen worden war. Der Artikel basierte hauptsächlich auf einem kurzen Bericht von Colonel J. M. Chivington, einem ehemaligen Methodistenpfarrer, der jetzt Kommandeur des Militärbezirks Colorado war. In seinem Bericht führte er aus: „Heute morgen bei Tagesanbruch habe ich ein CheyenneDorf von hundertdreißig Hütten und zwischen neunhundert und tausend Krieger stark angegriffen. Wir haben die Häuptlinge Black Kettle (Schwarzer Kessel), White Antelope (Weiße Antilope) und Little Robe (Kleine Robe) sowie vier- bis fünfhundert weitere Indianer getötet; außerdem haben wir zwischen vier- und fünfhundert Pferde und Maultiere erbeutet." Für seine eigene Truppe hatte er nur Lob: „Alle haben sich vortrefflich geschlagen."

 

Am 12. Dezember berichtete die Zeitung, Colonel Chivington, den sie jetzt das „alte Schlachtroß" nannten, werde noch am gleichen Abend in Denver eintreffen. Das 3`d Regiment, das den größten Teil seiner Streitmacht gestellt hatte, würde bald folgen. Ein am selben Tag veröffentlichter Brief eines Soldaten frohlockte:
„Wir sind auf den Feind gestoßen und haben das Feld behauptet. Die Unblutigen Dreier' haben westlich des Mississippi den größten Sieg über die Wilden errungen ...
Wir haben den Stamm vollständig vernichtet und glauben, daß er die Siedler in Zukunft nicht mehr belästigen wird."


Als die Soldaten des Regiments durch Denver paradierten, wurden sie als Retter der Grenze bejubelt.


Einige traten in den Pausen einer Theatervorstellung auf und erhielten Beifall, als sie Indianerskalpe vorzeigten und ihre Heldentaten erzählten.

 

Aber der „Ausführliche Bericht" der Rocky Mountains News erwies sich als keineswegs vollständig. Beispielsweise fehlte darin ein merkwürdiger Zusatz, den Colonel Chivington seiner Meldung an den Kommandierenden General des Bereichs Kansas angefügt hatte. „Ich kann diesen Bericht nicht schließen", hatte Chivington geschrieben, „ohne zu erwähnen, daß das Betragen von Cap. Silas S. Soule zumindest unklug gewesen ist, indem er sagte, er danke Gott, daß er keine Indianer getötet habe, und dergleichen Ausdrücke gebrauchte."

Dieses Schlußwort schien nicht recht mit dem triumphierenden Tonfall des ursprünglichen Berichts übereinzustimmen. Und dies war nicht die einzige Kontroverse, die in dem ersten Bericht unterschlagen worden war. Einige wenige Offiziere und Mannschaften hatten Gewissensbisse wegen der Rolle, die sie bei diesem Gefecht gespielt hatten; einige schrieben deswegen an Washingtoner Dienststellen. Aus ihren Briefen und aus denen mitfühlender Händler und Indianeragenten ließ sich allmählich ein ganz anderes Bild der Schlacht rekonstruieren. Und noch vor Monatsende erfuhren die Pioniere des Colorado Territory zu ihrer Verblüffung, daß der Kongreß und die U.S. Army die Schlacht am Sand Creek untersuchen würden. Die Vorwürfe: Chivingtons Soldaten hatten Indianer ermordet, die unter dem Schutz der U.S. Army zu stehen glaubten; die meisten indianischen Toten waren Frauen und Kinder; tote Indianer waren verstümmelt worden.

 

Wie sich herausstellte, war Chivingtons Bericht nicht nur unvollständig, sondern auch in fast allen Punkten bewußt unwahr. Zwei Händler, die sich zum Zeitpunkt des Überfalls in dem Indianerlager aufgehalten hatten, sagten aus, das Dorf habe aus 80 bis 100 Hütten mit nicht mehr als 500 Menschen bestanden. Zwei Drittel von ihnen waren Frauen und Kinder gewesen. Allmählich schälte sich heraus, wie die Ereignisse aus indianischer Sicht wirkten.
Black Kettle und seine Cheyenne waren tatsächlich in Frieden gekommen, hatten nach den Anweisungen der Soldaten zu leben und zu kampieren versucht und waren der Überzeugung gewesen, unter der Vormundschaft der Regierung zu stehen. Tatsächlich hatte Black Kettle sich seit einigen Jahren mehr als jeder andere Plains-Häuptling bemüht, seinen eigenen Stamm davon abzubringen, auf den Kriegspfad gegen die Weißen zu ziehen.

 

Erst zwei Jahre zuvor hatten die Sioux in Minnesota durch einen blutigen Aufstand ihrem Zorn über das Vordringen der Weißen und nicht gehaltene Versprechen Luft gemacht. Seitdem waren auf den Spuren der Goldgräber immer mehr Siedler ins Indianerland gekommen und hatten auf den alten Bisonweiden Colorados Straßen und Farmen angelegt.
Seit Frühsommer des Jahres 1864 wurden Friedenswillige wie Black Kettle in den Hintergrund gedrängt, und die kriegerische Fraktion der High-Plains-Indianer setzte sich durch. Die Indianer blockierten über einen Monat lang die Hauptverkehrsstraße zwischen dem Osten und Denver; für Denver bestimmte Post mußte mit dem Schiff nach Süden befördert, über die Landenge von Panama transportiert und von dort aus über San Francisco weiterbefördert werden. Die Einwohner von Denver hörten wahre Berichte über Grausamkeiten - Überfälle, Vergewaltigungen, Verstümmelungen und Entführungen. Im Juni wurden ein Siedler, seine Frau, eine vierjährige Tochter und ein Baby am Box Elder Creek ermordet - nur 50 Kilometer südöstlich der Stadt. Ihre skalpierten und verstümmelten Leichen wurden nach Denver gebracht, wo viele Bürger sie sahen. Die Emotionen schlugen hohe Wellen, und der Zorn der Bevölkerung wuchs. Nach solchen feindseligen Einleitungen war die Tragödie von Sand Creek beinahe unvermeidlich.

 

Indianerhäuptlinge fahren 1864 zu Friedensverhandlungen in Denver ein. Trotz monatelanger Indianerüberfälle in diesem Gebiet kamen viele Bürger zur Begrüßung aus ihren Häusern. Das war zwei Monate vor dem Massaker am Sand Creek.
Indianerhäuptlinge fahren 1864 zu Friedensverhandlungen in Denver ein. Trotz monatelanger Indianerüberfälle in diesem Gebiet kamen viele Bürger zur Begrüßung aus ihren Häusern. Das war zwei Monate vor dem Massaker am Sand Creek.

Selbst einige Cheyenne hatten sich an Überfällen beteiligt. Aber viele andere Cheyenne hatten keine Morde verübt, und Black Kettle war ein Befürworter des Friedens geblieben. Im September 1864 war er mit sechs weiteren Cheyenne-Häuptlingen nach Camp Weld bei Denver gekommen, um an einer Konferenz mit Territorial Governor John Evans, Colonel Chivington und anderen Verantwortlichen teilzunehmen. Black Kettle, einer der einflugreichsten der in Camp Weld versammelten Indianer, hatte den Weißen gegenüber zugegeben, ihm sei es nicht gelungen, die jungen Krieger unter Kontrolle zu halten; aber er beteuerte, er werde es in Zukunft versuchen und habe den aufrichtigen Wunsch nach Frieden zwischen Indianern und Weißen.


Einige der anderen friedliebenden Häuptlinge, die an der Konferenz in Camp Weld teilgenommen hatten, führten ihre Gruppen als Zeichen der Unterwerfung nach Fort Lyon am Arkansas. Der dortige Kommandeur ließ ihnen Verpflegung für einige Tage geben und wies sie danach an, in ein Gebiet weiterzuziehen, in dem sie von der Jagd leben konnten. Die Indianer konnten in den Äußerungen des weißen Offiziers keine Kriegsdrohung entdecken - keinen Hinweis darauf, was Chivington in Wirklichkeit beabsichtigte. Sie schlugen ihr Lager in Sand Creek in einer großen Flugschleife auf. Black Kettle und White Antelope brachten die Angelegenheit in ihren eigenen Gruppen, in denen noch immer die aggressiven Krieger den Ton angaben, zur Sprache und überredeten einige Familien dazu, in das Friedenslager am Sand Creek umzuziehen.

 

 

Der Angriff erfolgte an einem kalten Morgen bei Tagesanbruch. Als Black Kettle die Soldaten heranreiten sah, hißte er eine amerikanische Flagge über seinem Tipi und setzte darunter eine weiße Fahne. Trotzdem schnitten die Soldaten die Pferdeherde der Indianer ab und eröffneten das Feuer. Black Kettle versuchte, die Indianer zu beruhigen; vielleicht dachte er, einige Krieger hätten in letzter Zeit Überfälle verübt und diese Machtdemonstration habe nur den Zweck, sie einzuschüchtern und ein paar Gefangene einzubringen. Bald wurde jedoch klar, daß der Angriff todernst gemeint war. Die Soldaten brachten auf dem höher gelegenen Flußufer Geschütze in Stellung und begannen, die Tipis zu beschießen.

Häuptling White Antelope rannte mit erhobenen Händen auf die Soldaten zu und rief auf Englisch: „Aufhören! Aufhören!" Als er sah, daß damit nichts zu erreichen war, blieb er stehen und verschränkte die Arme. Er wurde niedergeschossen. Frauen und Kinder schrien und weinten. Sie flüchteten aus dem Lager und verteilten sich über die sandigen Hügel. Die Krieger fingen an, Widerstand zu leisten, und deckten den Rückzug das Flugbett hinauf, dessen hohe Ufer einigen Schutz boten und wo man im weichen Sand rasch Schützenlöcher ausheben konnte. Häuptling Black Kettle blieb zunächst unter seinen Flaggen; dann schloß er sich mit seiner Frau dem Rückzug flußaufwärts an. Sie sollte während dieses Massakers neun Schußwunden davontragen und trotzdem am Leben bleiben. Auch Black Kettle sollte - im Gegensatz zu der Behauptung in Chivingtons Bericht - zu den Überlebenden gehören.

Der Kampf dauerte bis nachmittags, aber er glich mehr einer Indianerjagd als einem Gefecht. Die weißen Offiziere konnten oder wollten keine Disziplin in der Truppe aufrechterhalten. Robert Bent, der gezwungen worden war, die Strafexpedition zu führen, schilderte später, was er am Sand Creek gesehen hatte. Hier ein Auszug aus seinem Bericht: „Ich sah fünf Squaws unter einer Uferböschung. Als Soldaten herankamen, liefen sie heraus und zeigten sich, damit die Soldaten sahen, daß sie Squaws waren, und baten um Gnade, aber die Soldaten erschossen sie alle. Etwa dreißig bis vierzig Squaws, die in einer Mulde Schutz gesucht hatten, schickten ein kleines Mädchen von ungefähr sechs Jahren mit einer weißen Flagge an einem Stock hinaus. Die Kleine wurde erschossen. Ich sah eine Squaw mit aufgeschnittenem Leib und einem ungeborenen Kind an ihrer Seite. Ich sah die Leiche von White Antelope mit abgeschnittenen Geschlechtsteilen und hörte einen Soldaten sagen, er wolle sich daraus einen Tabaksbeutel machen. Ich sah eine Squaw mit herausgeschnittenen Geschlechtsteilen." Ein Augenzeuge behauptete, 123 tote Indianer gezählt zu haben, von denen 98 Frauen und Kinder waren.

 

Black Kettle floh mit den halbnackten Überlebenden seiner Gruppe nach Norden, wo er am Smoky Hill River auf ein anderes, kampfbereiteres Lager stieß. Dort fand er Nahrung, Kleidung und Schutz vor dem erbarmungslosen Winter auf den Plains. Er war über diesen feigen Überfall empört, aber er befürwortete keinen totalen Krieg. Er war nach wie vor der Überzeugung, die Zukunft seiner Cheyenne liege in einer Verständigung mit den Weißen. Aber sein Einfluß im Stammesrat hatte abgenommen, und den übrigen friedenswilligen Indianern erging es nicht anders.


Die Reaktion der anderen Häuptlinge der Prärie-Indianer auf das Massaker am Sand Creek war schnell und gewalttätig. Bis Ende Dezember hatten sich 2’000 Krieger der Cheyenne, Nord-Arapaho und Sioux in Dörfern am Republican River versammelt. Einem weißen Fallensteller, der zu beschwichtigen versuchte, erklärte ein Häuptling: „Wofür lohnt es sich für uns noch, zu leben? Der weiße Mann hat uns unser Land weggenommen, hat unser Wild geschossen, ist damit nicht zufrieden gewesen, sondern hat unsere Frauen und Kinder ermordet. Jetzt kein Frieden mehr. Wir haben jetzt das Kriegsbeil bis zum Tod erhoben." Und die dann einsetzenden wütenden Überfälle brachten vielen Weißen den Tod. Im Januar 1865 lockte eine Gruppe von Kriegern eine Kavallerieabteilung aus Fort Rankin heraus und machte ungefähr 45 Soldaten nieder. Dann überfielen die Indianer in einem Gebiet, das von Fort Rankin aus etwa 130 Kilometer weit nach Westen reichte, in rascher Folge sämtliche Ranches, die Weißen gehörten. Sie ermordeten weitere acht Menschen, stahlen über 1’500 Rinder und schlossen ihren Raubzug mit der Plünderung von Julesburg ab, wo Scharen singender Krieger um ein Freudenfeuer aus niedergerissenen Telegraphenmasten tanzten.

Black Kettle (seated center) and other Cheyenne chiefs conclude successful peace talks with Major Edward W. Wynkoop (kneeling with hat) at Fort Weld, Colorado, in September 1864.
Black Kettle (seated center) and other Cheyenne chiefs conclude successful peace talks with Major Edward W. Wynkoop (kneeling with hat) at Fort Weld, Colorado, in September 1864.
Ein Offizier der U.S.-Armee und ein Frontiersmann untersuchen die skalpierte Leiche eines von den Cheyenne getöteten weißen Jägers.
Ein Offizier der U.S.-Armee und ein Frontiersmann untersuchen die skalpierte Leiche eines von den Cheyenne getöteten weißen Jägers.

Während das Grenzland mit Angst und Empörung auf diese Vergeltungsangriffe reagierte, zeichnete sich in anderen Teilen Amerikas eine tiefgreifende und völlig andersartige Reaktion der Weißen auf die Ereignisse am Sand Creek ab. Die Zeugenaussagen im Rahmen der vom Kongreß veranlagten Ermittlungen über die „große Schlacht" lösten in ganz Amerika Abscheu aus und veranlagten immer mehr Menschen dazu, sich eingehender mit der Konfrontation zu befassen, unter der der gesamte Westen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu leiden hatte. Nach einer Quelle soll kein Geringerer als Ulysses S. Grant unmittelbar nach dem Massaker gegenüber Governor John Evans aus Colorado zugegeben haben, Sand Creek sei nichts anderes gewesen als eine Ermordung von Indianern, die geglaubt hätten, unter dem Schutz der U.S. Army zu stehen. Joseph Holt, Judge Advocate General der Armee, verurteilte den Überfall als „feiges und brutales Gemetzel, das die Schuldigen mit unauslöschlicher Schande bedeckt und das Gesicht jedes Amerikaners mit Scham und Empörung überziehen muß".

 

Einige Herausgeber von im Westen erscheinenden Zeitungen verfochten weiterhin den traditionellen harten Kurs der Frontiersmen („Rottet die ganze Bande von Rothäuten aus", empfahl die Nebraska City Press am 16. Januar 1865). Aber Senator Lot M. Morrill gab dem erwachenden Gewissen der Vereinigten Staaten und ihrer Regierung zutreffender Ausdruck, als er im Senat ausführte: „Wir haben den Punkt in der Geschichte des Landes erreicht, an dem es keine unbevölkerten Gebiete mehr gibt, in die man den Indianer umsiedeln kann, und die präzise Frage, die sich uns stellt, lautet nun: Soll man ihn ausrotten oder ihm eine Heimstatt schaffen?

 

Damit gestand sich der weiße Mann endlich wie der Indianer ein, daß hier eine grundlegende Entscheidung zwischen Verständigung und Krieg getroffen werden mußte. Bisher waren die Vereinigten Staaten mehr oder minder in der Lage gewesen, das Indianerproblem vor sich herzuschieben, indem sie zu einem harten, aber im Prinzip einfachen Mittel gegriffen und die Indianer nach Westen umgesiedelt hatten. Als jetzt der Bürgerkrieg zu Ende ging und der Westen rasch immer dichter besiedelt wurde, gab es keine Ausweichgebiete mehr. Deshalb mußte irgendeine andere Lösung gefunden werden. Und die Amerikaner, die mit der barbarischen Realität von Sand Creek und ihren blutigen Nachwirkungen konfrontiert worden waren, neigten inzwischen erheblich weniger dazu, einen Indianerkrieg auf die leichte Schulter zu nehmen.


Vor allem im Osten vertraten religiöse Führer und eine Anzahl hoher Regierungsbeamter eine im Grunde genommen humanitäre Einstellung, die in einigen Fällen auch eine mildere Form von Pragmatismus war. Wie Innenminister James Harlan im Jahre 1866 feststellte, war das alte Ausrottungskonzept „offenkundig so unmöglich zu verwirklichen, wie es sämtliche Gebote der Menschlichkeit und der Christenpflicht verletzt". Hinter seinen Worten stand die nüchterne Tatsache, daß der Unterhalt eines einzigen gegen die Indianer eingesetzten Regiments bis zu zwei Millionen Dollar im Jahr kostete. Bei diesen Preisen erschien es billiger, einen Indianer in einer Reservation am Leben zu erhalten, als ihn im Kampf zu töten. Und der Kongreß war angesichts der im Bürgerkrieg geleerten Staatskasse durchaus bereit, solche Vorteile wahrzunehmen.

 

 

Außerdem war das Land noch von einem Kreuzfahrergeist beseelt: von dem gleichen humanitären Geist, in dem die Abolitionisten für die Abschaffung der Sklaverei gekämpft hatten. Ein Reformator, der seit langem für eine aufgeklärtere Einstellung zur Indianerfrage eingetreten war, war Henry B. Whipple, der Bischof der Episkopalkirche, der sich nach dem Aufstand der Sioux in Minnesota für die Indianer eingesetzt hatte. Er forderte die Regierung auf, ihre Zusagen einzuhalten und das Indian Bureau durch gemäßigte und integre Männer führen zu lassen. Teilweise auch auf Whipples Drängen hin schloß die Episkopalkirche sich mit den Quäkern - die mit den Indianern durch eine 200jährige traditionelle Freundschaft verbunden waren - und später auch mit anderen Kirchen zu einer Lobby zusammen, die eine bessere Behandlung der Indianer forderte. Die von den Kirchen vorgeschlagene Lösung sollte die Indianer assimilieren, ihnen durch jährliche Zuteilungen von Lebensmitteln, Gebrauchsgütern und Bargeld Unterkunft und Nahrung verschaffen, sie zum Christentum bekehren, sie mit modernen landwirtschaftlichen Methoden bekannt machen und ihnen eine Berufsausbildung verschaffen.


Man nahm an, durch diese Methoden würde das Indianerproblem verschwinden, weil es dann keine Indianer mehr gebe, die nach traditioneller Art der Plains-Stämme über die Prärie streifen würden. Diese Reformatoren, schrieb der Historiker Robert Mardock, planten für die Indianer eine „neue Lebensweise, die auf den Wertvorstellungen idealisierter, mittelständischer, im 19. Jahrhundert lebender Bewohner der Ostküste basierte: gesetzestreu, von christlicher Moral geprägt und politisch demokratisch. Die neuen Indianer würden fleißige, selbständige Grundeigentümer sein, die sämtliche Rechte und Pflichten amerikanischer Staatsbürger hatten".

Auf diesem Stich aus Harper's Weekly führt George Armstrong Custer mit rauchender Pistole einen Vorstoß durch ein Cheyenne-Dorf am Washita River an. In Custers Bericht wurde die Anzahl der getöteten Frauen und Kinder nicht erwähnt.
Auf diesem Stich aus Harper's Weekly führt George Armstrong Custer mit rauchender Pistole einen Vorstoß durch ein Cheyenne-Dorf am Washita River an. In Custers Bericht wurde die Anzahl der getöteten Frauen und Kinder nicht erwähnt.

Bei ihrer Kampagne fanden die Geistlichen einige überraschende Verbündete. Nach einer Expedition ins Dakota Territory berichtete General Alfred Sully seinen Vorgesetzten, der wilde Indianer lasse sich am einfachsten dadurch ausrotten, daß man ihn zivilisiere. Der General befürwortete eine Partnerschaft zwischen der Regierung und den christlichen Missionaren, die bei den Stämmen arbeiten und dafür sorgen würden, daß Gerechtigkeit, ehrlicher Tauschhandel und Rechtschaffenheit die bei den meisten Indianeragenturen üblichen Betrügereien ersetzten. Während solche Vorschläge es bestimmt verdienten, sorgfältig geprüft zu werden, blieb weiterhin strittig, wieviel davon möglich und durchführbar war.

 

Die große Debatte hielt bis Ende der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts an. Sie erreichte ihren Höhepunkt mit der berühmten Friedenspolitik, die Ulysses S. Grant nach seiner Wahl zum Präsidenten ausrief. Seine Politik war im Grunde genommen eine umfangreichere Version von General Sullys Programm, als Indianeragenten Männer zu ernennen, die von verschiedenen Kirchen vorgeschlagen worden waren. Obwohl diese Politik viel besprochen und diskutiert und sogar in großem Umfang erprobt wurde, war sie nie eindeutig erfolgreich oder erfolglos und wurde schließlich aufgegeben.

 

Ein Ergebnis dieser Gewissensforschung war jedoch eine durch den Kongreß ins Leben gerufene Friedenskommission, die mit feindlichen Indianern verhandeln sollte. Die Kommission hatte den Auftrag, „die Kriegsgründe zu beseitigen; die Grenzsiedlungen und den Eisenbahnbau zu sichern; und ein System zur Zivilisierung der Stämme einzuführen".
Im Oktober 1867 fuhr die Kommission mit einem langen Güterzug voller Annuitäten - Lebensmittel, Kleidung und andere Waren - nach Medicine Lodge in Südkansas. Dort wollte sie neue Verträge mit den Cheyenne, Arapaho, Comanche und Kiowa abschließen. Als Gegenleistung für Verpflegung, Bekleidung, Unterkünfte und Ausbildung in Handwerksberufen sollten die Indianerstämme sich verpflichten, in großen Reservationen zu bleiben und sie nur zur Bisonjagd zu verlassen. Sie würden keine Raubzüge mehr unternehmen, und die Überwachung durch die Weißen würde dafür wohlwollend sein.


Der vorgesehene Vertrag war kompliziert, und die Expedition der Friedenskommission war ein großes Unternehmen, für das Dutzende von Tonnen Material und Hunderte von Menschen transportiert werden mußten. Neun Journalisten reisten mit, um Amerika über den Fortgang der Verhandlungen auf dem laufenden zu halten. Aus der bei Medicine Lodge abgehaltenen großen Versammlung ragte ein Mann besonders heraus: Häuptling Black Kettle, der drei Jahre nach dem Massaker am Sand Creek noch immer auf der Suche nach Frieden wär.

Die Befürworter des Krieges

Während andere Cheyenne einen gelegentlichen Guerillakrieg gegen die Weißen geführt hatten, hatte Black Kettle in diesen drei Jahren die Herrschaft über seine Gruppe zurückgewonnen. Er war mit seinen Leuten nach Medicine Lodge gekommen und war entschlossen, einen Frieden auszuhandeln. Seine Gruppe schlug ihr Lager in unmittelbarer Nähe des Versammlungsortes auf, während die anderen sozusagen auf Distanz blieben. Falls die Dinge sich ungünstig entwickelten, konnten sie die Weißen jederzeit angreifen.

Als einige ihrer Häuptlinge zu Friedensverhandlungen nach Medicine Lodge kamen, schienen sie die Verhältnisse im feindlichen Lager auszuspionieren.


Die Anhörungen der Friedenskommission betrafen verschiedene Gefechte und Überfälle, zu denen es seit Sand Creek gekommen war. Nach den Anhörungen ritten die anderen Häuptlinge nicht geradewegs in ihr Lager am Cimarron River zurück, sondern begaben sich zu Black Kettle, wo sie eine eigene Anhörung veranstalteten. Innerhalb des Stammes fand eine große Gewissenserforschung statt, von der jedoch nur indianische Zeugen berichten konnten.

 

Auf der Versammlung wurde Black Kettle von den übrigen Häuptlingen bedroht, weil er sich offenbar gegen jegliche Kriegshetze gewandt hatte. Die Cheyenne ließen die Friedenskommission fast zwei Wochen lang mit der Ausrede warten, sie veranstalteten eine große Medizinzeremonie, die nicht unterbrochen werden dürfe. Dann trafen sie am Versammlungsort ein und simulierten einen Angriff mit Kriegsgeschrei und Gewehrschüssen. Aber sie unterzeichneten den neuen Vertrag, und damit war klar, daß Black Kettle sich durchgesetzt hatte.

 

Bald zeigte sich jedoch, daß die Verträge von Medicine Lodge keineswegs den Frieden sicherten. Der gleiche Kongreß, der die Einsetzung der Friedenskommission beschlossen hatte, war nicht bereit, die Mittel dafür zur Verfügung zu stellen. Auf der anderen Seite gab es einige Krieger, die wahrscheinlich nicht die Absicht hatten, dauernd Frieden zu halten, selbst wenn Verträge mit zahlreichen Unterschriften und Kreuzen existierten. Noch vor dem Ende der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts waren die Strömungen des kulturellen Konflikts bei Weißen wie bei Indianern zu stark geworden, als daß noch eine Versöhnung möglich gewesen wäre. Eines der ersten Opfer war der unermüdliche Friedensstifter Black Kettle.

 

Und seine Geschichte sowie die dreier weiterer Häuptlinge - Quanah von den Quahadi-Comanche, der Kiowa namens Sitting Bear und der Sioux Red Cloud - illustrieren die kaum vorhersehbaren und oft tragischen Konsequenzen, mit denen jene Häuptlinge rechnen mußten, die zwischen Nachgiebigkeit und Krieg lavierten.


Am 27. November 1868, nur ein Jahr nach der Friedenskonferenz bei Medicine Lodge, lagerte Black Kettle am oberen Washita River. Am Vortag war eine Gruppe räuberischer Krieger von Norden her ins Lager gekommen und hatte eine deutliche Fährte im Schnee hinterlassen. In der eisigen Morgendämmerung, als die Tipis des friedlichen Lagers eben unter den Bäumen zu erkennen waren, fiel ein Schuß, nach dem ein Hornsignal ertönte. Die U.S. 7`h Cavalry unter Führung des Offiziers, den dieIndianer Langhaar nannten (George Armstrong Custer), griff aus vier verschiedenen Richtungen an.


Black Kettle muß an Sand Creek gedacht haben, als er aufschreckte. So etwas durfte ihm nicht wieder zustoßen, aber es geschah trotzdem. In diesen ersten wachen Augenblicken - als er sich bewaffnete, als die Angstschreie laut wurden - muß er vielleicht gedacht haben: Diesmal will ich nicht mehr überleben!

Er überlebte den Angriff nicht; er starb neben seiner Frau in der Nähe seines Tipis, und Custers Osage-Fährtensucher skalpierten ihn. Bei diesem Überfall fanden auch etwa 40 Indianerfrauen und -kinder den Tod.

 

Aber diesmal kam keine Untersuchungskommission aus Washington, um zu fragen, warum ein weiteres Lager verwüstet worden war, warum wieder Frauen und Kinder getötet worden waren. Tatsächlich wurde George Custer von seinen eigenen Vorgesetzten, den Generalen Sheridan und Sherman, belobigt.

 

In Zukunft würde der weiße Mann offenbar keine Friedensverhandlungen mehr führen. Statt dessen würde er mit brutaler Härte gegen jeden Indianerstamm oder jede Gruppe vorgehen, die auch nur Ansätze eines bewaffneten Widerstandes erkennen ließ, und etwaige Überlebende zwangsweise in Reservationen umsiedeln. Ein Mann, der den Weißen von Anfang an Widerstand geleistet hatte, war ein berühmter Krieger: Häuptling Quanah, der dynamischste Führer der Comanche. Seine Mutter war eine gefangene Weiße namens Cynthia Ann Parker, die Quanah im Jahre 1845 zur Welt brachte, nachdem ein Häuptling sie zur Frau genommen hatte. Der Junge wuchs als gewöhnlicher Comanche auf und hatte die breiten Backenknochen und die ganze Erscheinung eines Indianers. Aber mit 15 Jahren, also in einem Alter, in dem Jungen aller Rassen am empfindlichsten und verwundbarsten sein können, erlitt er einen traumatischen Verlust. Eine Streitmacht aus Soldaten der U.S. Cavalry, Texas Rangers, Tonkawa-Fährtensuchern und Zivilisten griff das Lager der Comanche am Peace River an; bei diesem Gefecht wurde Cynthia Ann Parker „befreit" und zu ihren Verwandten zurückgebracht.

Die Verfechter des Friedens

Wie sehr dieser Verlust sich auf Quanah ausgewirkt haben muß, geht aus der Tatsache hervor, daß er seinen Namen für den Rest seines Lebens behielt. Während seine jungen Gefährten auf dem Kriegspfad Namen wie Big Horse (Großes Pferd), Fighting Wolf (Kämpfender Wolf) oder Wild Bear (Wilder Bär) annahmen, behielt er seinen Namen Quanah (der Wohlriechende) bei, weil seine Mutter ihn so genannt hatte. Falls die anderen Krieger ihn wegen seines Namens verspotteten, wurden sie bald eines Besseren belehrt, denn Quanah entwickelte sich zu einem draufgängerisch aggressiven Comanche-Krieger der alten Art.

 

Quanah begann schon Anfang Zwanzig, Überfälle anzuführen. Mit 26 Jahren führte er einen erfolgreichen Nachtangriff durch das Lager der Kavallerieabteilung Colonel Ranald Mackenzies an, der mit dem ausdrücklichen Auftrag unterwegs war, Quanah und seine Gruppe zu unterwerfen. Die Krieger erbeuteten zahlreiche Pferde, indem sie die Tiere zuerst durch Schüsse und nachgeschleifte Bisonfelle zum Durchgehen brachten. Quanah führte auch weitere Raubzüge zu den Siedlungen der Weißen in Texas an, wo die Indianer Rinder und Pferde wegtrieben und alle möglichen Beutestücke fortschleppten.

 

Aber die Macht der Comanche schwand rasch dahin. Ihre Zahl nahm teils durch Seuchen, teils durch niedrigere Geburtenziffern und teils durch den Krieg ab. So war es unvermeidlich, daß sie eines Tages vor der Grundsatzentscheidung standen, die alle Indianer zu treffen hatten: Anpassung an die von den Weißen verordneten Maßnahmen oder Fortsetzung des Krieges. Die meisten Gruppen erklärten sich damit einverstanden, in eine Reservation zu übersiedeln, aber die Quahadi-Comanche, die noch nie einen Vertrag mit den Weißen geschlossen hatten (sie hatten sich sogar geweigert, an der großen Friedenskonferenz in Medicine Lodge teilzunehmen), blieben noch einige Zeit frei, und Quanah war einer ihrer größten Kriegshäuptlinge. Aber schließlich mußten selbst die wilden Quahadi einsehen, daß sie auf verlorenem Posten standen, als die U.S. Army die widerspenstigen Indianer mit brutalen Methoden „befriedete": durch Vernichtung ihrer Wintervorräte und das Wegfangen oder Erschießen ihrer Pferde.

 

An einem klaren, kalten Tag Ende September 1874 griff der gleiche Colonel Mackenzie, dem Quanah drei Jahre zuvor eine Niederlage beigebracht hatte, Comanche, Kiowa und Cheyenne an, die ihr Lager im Palo Duro Canyon aufgeschlagen hatten.

Die Indianer hatten geglaubt, dort in Sicherheit zu sein.Sie wichen zurück, und noch bevor sie sich zu einem Gegenangriff sammeln konnten, ließ Mackenzie ihre Hütten und Vorräte verbrennen und über 1’400 Indianerpferde und Maultiere wegtreiben.

Da der Colonel wußte, wie schwierig es sein würde, die Tiere im Indianergebiet zusammenzuhalten, ließ er sie in den flachen Tule Canyon zurücktreiben und dort erschießen.


Die Erschießung von 1’400 Pferden und Maultieren ist ein brutales und blutiges Geschäft. Für die Comanche, die diese Tiere als Gotthunde bezeichneten, muß es ein schwerer Schock gewesen sein, das Gemetzel zu beobachten oder später die eine weite Fläche bedeckenden Tierkadaver zu sehen. Obwohl bei dem Angriff nur wenige Indianer umgekommen waren, brachten die unmittelbaren Verluste an Nahrungsmitteln und Pferden sowie die fortschreitende Ausrottung des Bisons durch weiße Jäger Quanah zu der Überzeugung, daß selbst die wilden Quahadis sich ergeben müßten. Deshalb zog Quanah im Jahre 1875 mit den Überlebenden dieser letzten Kriegergruppe einer einst mächtigen Indianernation in eine Reservation. Die Kiowa, die sich etwa zur gleichen Zeit endgültig in Reservationen niederließen, besaßen niemals solch einen Mann, um den sie sich hätten scharen können, um selbst nach der Kapitulation einen Rest Stolz zu bewahren.


Ihre einflußreichsten und bewährtesten Häuptlinge starben oder kamen in den letzten Jahren der Konfrontation mit den Weißen um.

Einer ihrer berühmtesten Häuptlinge, der nicht einmal den Gedanken an eine Kapitulation ertragen konnte, entschied sich statt dessen für den Tod.


Dieser Häuptling war Sitting Bear.


Im Jahre 1871, als er bereits 70 war, verließ er die Kiowa-Reservation im südwestlichen Oklahoma Territory, um sich an einem Raubzug gegen die weißen Siedlungen in Texas zu beteiligen.
Die Indianer griffen eine Kolonne aus zehn Getreidefuhrwerken an, erschossen den Wagenmeister und sechs Fuhrmänner und erbeuteten 41 Maultiere.

 

Als Führer der Kiowa-Kaitsenko, der Gesellschaft der Zehn Tapfersten, war Sitting Bear einer von mehreren Häuptlingen an der Spitze dieses Beutezuges gewesen. Nach dem Überfall ritten die Indianer nach Fort Sill, als sei gar nichts gewesen, und wollten dort ihre Lebensmittelzuteilung abholen. Unverständlicherweise begann einer der Häuptlinge mit dem Massaker zu prahlen - woraufhin die Soldaten Sitting Bear und zwei weitere Häuptlinge festnahmen.


Die drei Männer sollten nach Texas zurückgebracht und dort wegen Mordes vor Gericht gestellt werden.
Die Soldaten legten die drei Häuptlinge in Eisen, so daß sie an Händen und Füßen gefesselt waren, und hielten sie ungefähr eine Woche lang in einem Verlies unter einem Kasernengebäude gefangen. In dieser Zeit beschaffte Sitting Bear sich ein Jagdmesser, das er unter seiner Decke verbarg.

An dem Morgen, an dem die Kavallerie bereitstand, um die Gefangenen nach Süden zu eskortieren, fuhren zwei Wagen vor dem Verlies vor. Sitting Bear wurde allein in einen Wagen gesetzt, denn er benahm sich seltsam und sang mit schriller, klagender Stimme vor sich hin. Horace Jones, der Militärdolmetscher, warnte die Soldaten: „Nehmt euch vor dem alten Indianer in acht! Er führt irgend etwas im Schilde." Zwei mit Karabinern bewaffnete Soldaten stiegen mit ihm in den Wagen.

Sitting Bear, der an Händen und Füßen gefesselt war, muß den Soldaten lediglich als jammernder alter Mann erschienen sein, dessen offenes Haar und dünner Schnurrbart die Farbe von Baumwollzwirn hatten.
Man fragt sich, an welche Einzelheiten aus seinem langen Leben er sich erinnerte, während die Wagen auf der Straße nach Texas südwärts rollten.
Dachte er an jenen Tag zurück, an dem er die Reihen ehemaliger Feinde abgeschritten und Zählstäbe verteilt hatte, die die 250 Pferde symbolisierten, die er ihnen schenkte.
An etwas erinnerte er sich jedoch gewiß - daß er der Anführer der Gesellschaft der Zehn Tapfersten war -, denn sein Singsang hatte folgenden Text:


Kaitsenko ana obahema haa ipai degi o ha ika.
O Sonne, du bist ewig, aber wir Kaitsenko müssen sterben.
Kaitsenko ana oha hemo hadamagagi o ba ika.
O Erde, du bist ewig, aber wir Kaitsenko müssen sterben.


Während er sang, steckte Sitting Bear immer wieder den Kopf unter seine Decke und nagte sich das Fleisch von den Händen, bis er sie aus den Handfesseln ziehen konnte. Dann griff er nach dem Jagdmesser, das unter seiner Decke verborgen war, und stand auf.
Nun war er kein jammernder alter Mann mehr, sondern ein bewaffneter Kiowa-Krieger.

 

 

 

Er griff einen seiner Bewacher an und entriß ihm den Karabiner. Die beiden Soldaten purzelten Hals über Kopf vom Wagen auf die staubige Straße. Sitting Bear bemühte sich, eine Patrone in die Kammer zu schieben, aber vielleicht wußte der alte Mann einfach nicht, wie diese Waffe funktionierte. Der Karabiner schoß jedenfalls nicht, aber das spielte keine große Rolle mehr.


Sitting Bear stieß seinen Kriegsschrei aus und zielte mit der wertlosen Waffe, während ihn die Kugeln der Soldaten trafen.
Die überraschten Kavalleristen schossen so wild darauf los, daß sie den auf einem der Maultiere reitenden Fuhrmann ernstlich verwundeten. Sitting Bears Körper zuckte unter den einschlagenden Kugeln, und er brach zusammen.


Aber er stemmte sich in dem schwankenden Wagen noch einmal hoch, kam wieder auf die Beine und hob den Karabiner. Seine blutenden, bis auf die Knochen abgenagten Hände brachten die Waffe in Anschlag - eine letzte verzweifelte Geste. Der Anführer der Gesellschaft der zehn Tapfersten läßt sich nicht vor etwas, das die Weißen als Gericht bezeichnen, schleppen und verurteilen.

 

Und so machten die weißen Soldaten ihn mit einer schrecklichen Salve endgültig nieder, wie er es gewollt hatte. Der Kampf war entschieden einseitig gewesen: Fünf Kavalleristen gegen einen 70jährigen, an Händen und Füßen gefesselten und von zwei Soldaten bewachten Mann. Aber es war ein wirklicher Kampf gewesen. Sitting Bear war in einer Welt aufgewachsen, in der weiße Männer selten gewesen waren und ganz gewiß nicht über anderer Menschen Schicksal entschieden hatten. Er hatte ein erfülltes und mit Ehrungen überhäuftes Leben geführt und vermutlich nicht den Wunsch, weiterzuleben und Zeuge der Vernichtung der alten Werte zu sein.


Er hinterließ seinem Volk eine wertvolle Erinnerung: die Erinnerung an einen Mann voller Integrität bis in den Tod.

Stolz und gelassen starrte Sitting Bear im Jahre 1870 in die Kamera. Seit der Ratsversammlung am Arkansas waren mehr als 30 Jahre vergangen; im nächsten Jahr, 1871, starb er, indem er absichtlich das Feuer der U.S. Cavalry auf sich zog. Der Riemen quer über seiner Brust kennzeichnete seine Würde als Oberhaupt der elitären
"Gesellschaft der Zehn Tapfersten".

Red Cloud

Red Cloud - Oglala Chief 1891
Red Cloud - Oglala Chief 1891

Ein anderer großer Häuptling, Red Cloud von den Sioux, wurde von seinem Volk abschätziger beurteilt, weil er schließlich doch mit den Weißen verhandelt hatte. Aber das war ungerecht, denn er war ein sehr mutiger Mann und zugleich der geschickteste Stratege bei den Sioux.
Red Clouds Aufstieg zu einem bedeutenden Anführer begann im Jahre 1863, als Siedler und Goldgräber über den neuen Powder River Trail oder Bozeman Trail (nach dem Scout, der ihn erschlossen hatte) ins Land strömten.


Auf dem Weg zu den Goldminen bei Virginia City, Montana, verließ die neue Straße, die vom Oregon Trail abzweigte, die alte Route im Dakota Territory und führte durch die besten Jagdgründe der Sioux nach Nordwesten.


Unter der Führung von Red Cloud griffen die Indianer die Reisenden mit solcher Entschlossenheit an, daß die Weißen sie im Sommer 1866 zu Verhandlungen nach Fort Laramie einluden.

 

Zu diesen Verhandlungen kam Red Cloud mit berühmten Sioux-Häuptlingen wie Red Leaf, Old Man Afraid of His Horses und Spotted Tail sowie einigen ihrer Leute. Anfangs sah es noch so aus, als sei eine Vereinbarung über die friedliche Nutzung des Bozeman Trails möglich, wenn die Reisenden sich verpflichteten, unterwegs nicht zu jagen. Aber als die Verhandlungen schließlich ins entscheidende Stadium traten, marschierte ein Colonel Henry Carrington mit einer starken Truppe und dem Plan in Fort Laramie ein, entlang des Trails noch weitere Forts zur Abwehr von Indianerangriffen zu errichten.


Colonel Carrington nahm an den Verhandlungen teil und machte auch nicht den geringsten Hehl aus seinen Absichten. Red Cloud explodierte. Er sagte, die Friedenskommission habe die Häuptlinge wie Kinder behandelt. „Der Große Vater schickt uns Geschenke und will, daß wir ihm die Straße verkaufen", stellte er fest, „aber bevor die Indianer ja oder nein sagen, kommt Weißer Häuptling mit Soldaten, um die Straße zu stehlen." Er verließ den Verhandlungstisch, und etwa die Hälfte der Häuptlinge folgte ihm. Die Verhandlungen gingen mit Spotted Tail und anderen Häuptlingen weiter und führten zum Vertragsabschluß. Carrington begann daraufhin mit dem Wiederaufbau von Fort Reno und der Errichtung weiterer Forts zum Schutze der Straße durch das Sioux-Gebiet. Aber bald nachdem Carrington mit seiner Truppe in Fort Reno eingetroffen war, überfielen Sioux das Lager und trieben eine Herde Pferde fort. Red Clouds Krieg hatte begonnen. Der Krieg bestand aus einer Serie von Scharmützeln. Wie vor vier Jahren in Denver unterbrachen die Indianer die Postverbindungen, griffen Wagenzüge an und vernichteten sie oder zwangen sie zumindest zur Umkehr. Sie überfielen Arbeitskommandos von Soldaten, die in der Nähe von Forts unterwegs waren, um Grünfutter oder Holz zu holen. Die Lager der kriegswilligen Sioux waren am Tongue River verteilt, und die ruhelosen Krieger unter Red Clouds Führung überfielen ständig den Trail und die Forts.

 

Zu den in Fort Phil Kearny, Carringtons Hauptquartier, stationierten Offizieren gehörte ein eigensinniger junger Captain namens William J. Fetterman, der sich besonders über die Indianerüberfälle ärgerte. Er hatte wenig Respekt vor der Kampfkraft der Prärie-Indianer und war frustriert, weil man ihnen solche ständigen Nadelstiche durchgehen lieg, ohne sie zu bestrafen. Bei einer Gelegenheit prahlte er: „Gebt mir 80 Mann, dann reite ich durch die ganze Sioux-Nation." Einige Sioux-Krieger entwarfen bereits einen Schlachtplan, der vollen und tödlichen Nutzen aus dieser selbstbewußten Einstellung des Captains ziehen sollte

Fort Phil Kearny lag auf einer leichten Anhöhe am Zusammenfluß der Little Piney und Big Piney Creeks und war auf allen Seiten von zerklüfteten, von Wind und Wetter geformten Hügeln und Bergketten umgeben.


Das höhere Gelände war unbewaldet, mit in der Sonne braun gewordenem Gras bewachsen und im Winter oft ganz oder teilweise mit Schnee bedeckt, obwohl in den Senken auch Reihen von Traubenkirschen und anderem Unterholz wuchsen.


Am Morgen des 21. Dezember 1866 war ein Arbeitskommando von Soldaten, die Bau- und Brennholz holen sollten, am Big Piney Creek unterwegs. Gegen 11 Uhr signalisierte ein Wachposten von einem Hügel in der Nähe des Forts durch ein Flaggensignal, die Holzfäller würden angegriffen und bräuchten vermutlich Unterstützung. Captain Fetterman ließ sich sofort den Befehl über die Entsatzabteilung übertragen; er hatte jedoch Anweisung, den Kampf nicht unnötig zu suchen und sich unter keinen Umständen über die Lodge Trail Ridge hinauszuwagen. Als er aus dem Fort reiten wollte, hatte er 78 Offiziere und Mannschaften - Kavallerie und Infanterie - unter seinem Befehl.

 

 

 

Als ob das Schicksal sich an seine Prahlerei erinnert hätte, schlossen sich ihm noch zwei Zivilisten an, so daß er genau über die 80 Mann verfügte, mit denen er seiner Behauptung nach durch die ganze Sioux-Nation reiten konnte.


Der Angriff auf die Holzfäller wurde bald wieder abgebrochen, aber eine kleinere Gruppe von Indianern unter Führung eines brillanten jungen Kriegers namens Crazy Horse hatte sich bis in die Nähe des Forts vorgewagt. Crazy Horse trug den Federbalg eines Rotbugbussards im Haar und hatte sich einen Blitzstrahl auf die Wange gemalt. Falls sein Körper mit den roten Hagelspuren seiner charakteristischen Kriegsbemalung bedeckt war, waren sie unter seiner Decke verborgen, denn das Wetter war kalt. Er war wie einige der anderen Mitglieder seiner Gruppe beritten; die übrigen marschierten.


Sie bewegten sich im Unterholz und erweckten den Eindruck, als ob sie sich verstecken wollten, hielten sich indessen aber bereit, einen der einfachsten je entworfenen Schlachtpläne vollendet auszuführen.

Iron Tail aka Sinte Maza - Oglala 1904
Iron Tail aka Sinte Maza - Oglala 1904

Der Indianer bemalte nicht nur Gesicht und Körper für die Schlacht, sondern zog sich auch entsprechend an. Außer seinem Schild waren die meisten Dinge, die er trug, kaum als schützende Rüstung zu gebrauchen. Sie waren Teile seiner persönlichen Medizin oder spirituellen Rüstung. So glaubte er, ein Kopfschmuck verleihe ihm übernatürliche Kräfte.

 

Zwei Kartätschen aus den Haubitzen des Forts detonierten über den Indianern. Einer der Lockvögel wurde vom Pferd geschleudert. Die anderen heulten auf und liefen nach Norden davon, als hätten sie alle Angst. Crazy Horse stellte sich so unbeholfen wie möglich an, während er ihren Rückzug deckte. Da die Soldaten des Arbeitskommandos bereits ungefährdet in Richtung Fort Phil Kearny marschierten, nahm Fettermans Abteilung die Verfolgung der kleinen Gruppe flüchtender Indianer auf.

 

Crazy Horse und die übrigen Berittenen blieben stets knapp außer Gewehrschußweite der Weißen, und die Reiter wechselten sich darin ab, gelegentlich Vorstöße gegen die nachrückenden Soldaten zu unternehmen, als wollten sie Fettermans Leute zurücktreiben. „Los, kommt doch! Kommt doch!" muß Crazy Horse sich beschwörend gedacht haben. Er lockte seine Verfolger durch die Hügel, über den Big Piney Creek und zur Lodge Trail Ridge hinauf. „Kommt schon! Kommt schon!" Einmal stieg er vom Pferd, als müsse er einen Gurt festziehen; ein andermal tat er so, als bemühe er sich verzweifelt, einen festgetretenen Stein aus einem Huf seines Pferdes zu entfernen. Unterdessen lagen die indianischen Späher entlang der Senken und Einschnitte in Deckung und warteten auf den Augenblick, in dem sie der berittenen Hauptstreitmacht, die hinter den Hügeln bereitstand, das Angriffssignal geben konnten. Crazy Horse lockte die Soldaten über die Lone Trail Ridge, zur Fahrstraße hinunter und in Richtung Pano Creek. Plötzlich stieß er seinen durchdringenden Kriegsruf aus.

 

Fettermans Abteilung wurde außer Sichtweite des Forts, außer Reichweite seiner Haubitzen von Hunderten von schreienden Indianern überfallen. Seine Männer stoben auseinander, wollten fliehen, bemühten sich, Schützenlinien zu bilden. Die Indianer fielen von allen Seiten gleichzeitig über die Soldaten her und schwangen dabei Streitkeulen. Einige wenige Indianer wurden von den Schüssen der Angegriffenen niedergestreckt, aber die anderen kamen unaufhaltsam heran. Sie überschütteten die zusammengedrängten Soldaten mit einem Pfeilhagel. Fetterman und einige Überlebende, die alle ihre Pferde eingebüßt hatten, zogen sich auf einen Hügel am Bozeman Trail zurück, wo einige niedrige Felsen ihnen kümmerliche Deckung boten. Dort kämpften sie bis zum bitteren Ende. Der Captain hatte das Fort kurz nach 11 Uhr verlassen; um 12.45 Uhr waren er und seine 80 Mann tot, ausgeplündert und skalpiert.


Fettermans Massaker war keine große Schlacht, aber es war eine Art Ausrufezeichen in dem Guerillakrieg, den Red Cloud bisher geführt hatte und noch monatelang führen würde. Wie das Massaker am Sand Creek zeigte dieser Überfall das tragische Fehlschlagen der amerikanischen Indianerpolitik auf und veranlagte viele Leute, ihre im Grunde genommen kriegerische Einstellung zu überprüfen.
Jetzt wollten die Weißen des Westens wie des Ostens Frieden. Aber Red Cloud war nicht friedensbereit.


Er blieb unnachgiebig bei seiner Forderung, die Weißen müßten ihre Forts im Gebiet der Sioux räumen. Und die Regierung der Vereinigten Staaten gab schließlich nach.

Im Mai 1868 ordnete das Heeresministerium an, die Forts Reno, Phil Kearny und C. F. Smith seien aufzugeben. Nachdem die Soldaten sie im Spätsommer des gleichen Jahres geräumt hatten, brannten die Indianer sie nieder. Im November kam Red Cloud dann nach Fort Laramie und unterzeichnete einen Friedensvertrag. Er war der erste und einzige Indianerhäuptling aus dem Westen, der einen längeren Krieg gegen die USA gewonnen hatte.


Nach der Unterzeichnung des Vertrags zeigte sich ein Reisender im Gespräch mit Red Cloud erstaunt darüber, dag die Regierung nachgegeben hatte.
Für den Häuptling war die Sache einfach. „Ich habe mehr Soldaten als der Große Vater", sagte er, „und er kann mir mein Land nicht gegen meinen Willen wegnehmen."
Der Große Vater hatte selbstverständlich mehr Soldaten, als Red Cloud bisher gesehen hatte - er hatte sogar auf allen Gebieten mehr als die Indianer, wie Red Cloud und seine Brüder bald mit eigenen Augen sehen sollten.

 
Auf den nördlichen Plains drohten noch immer Auseinandersetzungen; es gab Meinungsverschiedenheiten darüber, wo Händler mit den Sioux Geschäfte machen durften und wo die Stämme sich melden mußten, um ihre Annuitäten zu erhalten. Deshalb wurden im Frühjahr 1870 Red Cloud und weitere 15 Häuptlinge zu einer Konferenz nach Washington eingeladen.
Während ihres Aufenthalts in der amerikanischen Hauptstadt erhielten diese Indianer aufschlußreiche Einblicke in Welt und Macht des weißen Mannes.

 

Red Cloud bemühte sich mannhaft, die Tatsache zu verbergen, daß er beeindruckt war. Auf dem Programm seiner Rundreise stand auch die Besichtigung des U.S. Arsenal and Navy Yard, wo er ein Rodman-Geschütz mit 38 Zentimeter Kaliber vorgeführt bekam, in dessen Rohr fast ein Mensch Platz hatte. Er besuchte eine Sitzung des amerikanischen Senats und muß dabei an die Ratsversammlungen gedacht haben, an denen er unter primitiven Umständen teilgenommen hatte. Er betrachtete Washington von der Kuppel des Kapitols aus und muß dabei über Zahlen nachgedacht haben - die Zahl der Sioux und die der Weißen. Er kam zweimal mit Präsident Grant zusammen.


Red Cloud hatte unzweifelhaft die Absicht gehabt, den Weißen ein für allemal zu erklären, sie könnten nicht über das Schicksal der Sioux entscheiden. Er hatte versucht, diese Positionen bei Diskussionen über die Bestimmungen des von ihm vor weniger als zwei Jahren unterzeichneten Vertrages zu behaupten. Wahrscheinlich war er der Meinung, der genaue Inhalt der Vertragsbestimmungen spiele keine allzugroße Rolle, weil die Sioux unter seiner Führung in der Lage sein würden, den Vertrag beliebig auszulegen. Trotz der an der Ostküste erlebten Machtdemonstration der Weißen forderte Red Cloud die Räumung eines weiteren Forts, großzügige Entschädigungszahlungen für die durch das Sioux-Gebiet führenden Eisenbahnen und die Möglichkeit für sein Volk, ein freies Leben weiterzuführen, ohne durch willkürlich gezogene Grenzen eingeengt zu sein.

 

Bei Verhandlungen mit dem Innenminister und dem Kommissar für Indianerfragen brachte Red Cloud eine Reihe von Forderungen sowie Anklagen gegen die Maßnahmen der Weißen vor. Aber er beendete seine zornige Rede mit dem Eingeständnis, daß die Sioux im Vergleich zu den Weißen nur eine Handvoll Menschen waren. Aus seinen Worten sprach eine typisch indianische Schlichtheit und Beredtsamkeit, die nur von wenigen Angehörigen anderer Rassen übertroffen wurde: „Unsere Nation schmilzt dahin wie der Schnee auf den Hängen, wo die Sonne warm ist, während euer Volk wie die Grashalme im Frühling ist, wenn der Sommer kommt."


Obwohl Red Cloud offensichtlich entmutigt war, spürten seine Verhandlungspartner in Washington, daß der SiouxHäuptling noch immer zutiefst verärgert war. Sie sorgten dafür, daß Red Cloud in New York, wo die Sache der Indianer von vielen unterstützt wurde, auftreten und eine Rede halten konnte. Sie hofften dabei, er werde sich durch eine freundliche Aufnahme umstimmen lassen. Red Cloud erklärte sich widerstrebend einverstanden.


Er nahm im New Yorker Cooper Institute an einer großen Versammlung teil, deren Höhepunkt seine Rede war. Er sprach von der Bruderschaft der Menschen unter dem Großen Geist, von dem Unrecht, das den Indianern angetan worden war, und von dem Bedürfnis nach Hilfe und Verständnis. Das Publikum beklatschte fast jeden seiner Sätze, die von einem Dolmetscher übermittelt wurden. Für Red Cloud war dies eine der größten Stunden seines Lebens.

 

 

 

Die Idealisten, die ihn auf diese Weise in der größten amerikanischen Stadt begrüßten, hatten ein Komitee gegründet, das „einen Plan zur Beilegung aller indianischen Schwierigkeiten" ausarbeiten sollte. Ihr Plan sah unter anderem vor, daß alle Indianer des Westens in nicht weniger als vier und nicht mehr als sieben Reservationen konzentriert werden sollten, daß jeder einzelne Indianer 32 Hektar gutes Land erhalten würde und daß die Indianer sofort zu fördern und der „Zivilisation" näherzubringen seien.

 

Aber dieser gutgemeinte Plan bewies nur erneut, daß der Horizont vieler Reformatoren und Idealisten fast so beschränkt war wie jener der von ihnen verabscheuten weißen Kriegshetzer. Hätte man die zahlreichen, deutlich voneinander unterschiedenen Stämme des Westens in so wenigen Reservationen zusammengedrängt, wären Frustration und Verwirrung die unweigerliche Folge gewesen; ein Großteil des Landes im Westen war so trocken, daß 32 Hektar nicht für die Bedürfnisse eines Menschen genügten, der diese Fläche mit den damals bekannten Gerätschaften und Methoden hätte bestellen müssen; und - was am wichtigsten war - viele Indianer wollten einfach nicht zivilisiert sein oder die von den Weißen festgelegte Definition von Zivilisation akzeptieren.

 

Auf der Rückreise in den Westen stiegen Red Cloud und die anderen Häuptlinge in Omaha aus dem Zug und bekamen Pferde geschenkt, die sie mit heimnehmen durften. Der große Häuptling wurde nie mehr der alte.
Er führte sein Volk nie mehr in einen Krieg. Er sollte in späteren Jahren noch siebenmal nach Washington reisen, um zugunsten der Sioux zu verhandeln, aber sein Vertrauen in seine Überlegenheit und die seiner Krieger war geschwunden.


Die endgültigen Auswirkungen aller Bemühungen der im Osten lebenden Menschenfreunde auf die Krise an der Grenze lassen sich nur sehr schwer einigermaßen genau abschätzen.
Auf einigen Gebieten bewirkten sie unzweifelhaft Gutes. Ohne ihren idealistischen Druck wäre der Plan zur Ausrottung der letzten freien, kämpfenden Indianer vielleicht in die Tat umgesetzt worden.

 

Trotzdem war klar, daß die Menschenfreunde nicht alle Realitäten der Lebensweise der Prärie-Indianer begriffen. Die Sioux waren ein stolzes Kriegsvolk. Welcher Krieger war bereit, hinter einem Pflug herzugehen oder Frauenarbeit zu tun, nur weil irgendein Weißer es ihm befehlen wollte?


Und welcher weiße Goldgräber war bereit, sich von Wilden davon abhalten zu lassen, ein Vermögen aus der Erde zu holen? Gerüchten zufolge sollte es in den Black Hills des Dakota Territory, der Heimat der Teton-Sioux, massenhaft Gold geben. Im Jahre 1874 wurde George A. Custer, der das Massaker am Washita River befohlen hatte, an der Spitze einer großen Expedition ausgesandt, um dieses Gebiet mit seinen fruchtbaren grünen Tälern, in denen es vielleicht auch kostbare Bodenschätze gab, zu erforschen. Custer berichtete von Goldlagerstätten - mit dem Erfolg, daß fast augenblicklich Scharen von Goldgräbern in diese letzte Festung der Sioux strömten.


Die amerikanische Regierung wollte das Gebiet kaufen; die Sioux weigerten sich, es zu verkaufen. Red Cloud war zu Verhandlungen bereit, aber in seinem Volk waren unterdessen andere mächtige Führer emporgekommen. Zu ihnen gehörten der Kriegshäuptling Gall und der Medizinmann Sitting Bull.

 

Kriegshäuptling Gall
Kriegshäuptling Gall
Sitting Bull
Sitting Bull
Indianer legten vor und auch nach einer Schlacht Kriegsbemalung an. Dieses Portrait zeigt einen Krieger der Pawnee nach einem Sieg;die auf seine Brust gemalten Hände sind das Zeichen dafür, daß er einen Feind im Nahkampf getötet hat.
Indianer legten vor und auch nach einer Schlacht Kriegsbemalung an. Dieses Portrait zeigt einen Krieger der Pawnee nach einem Sieg;die auf seine Brust gemalten Hände sind das Zeichen dafür, daß er einen Feind im Nahkampf getötet hat.
Talismane wie diese ausgestopften, mit Glasperlen und Federn geschmückten Eisvögel wurden im Kampf getragen.Der flinke Eisvogel symbolisierte Schnelligkeit, und der Krieger hoffte, mit Hilfe des Talismans Pfeilen zu entgehen.
Talismane wie diese ausgestopften, mit Glasperlen und Federn geschmückten Eisvögel wurden im Kampf getragen.Der flinke Eisvogel symbolisierte Schnelligkeit, und der Krieger hoffte, mit Hilfe des Talismans Pfeilen zu entgehen.
Manche Krieger verwendeten Coupstäbe wie den rechts abgebildeten, um den Gegner während des Kampfes zu berühren. Überlebte der Besitzer diese Tollkühnheit, dann spielte er die Szene während einer Siegesfeier vor.
Manche Krieger verwendeten Coupstäbe wie den rechts abgebildeten, um den Gegner während des Kampfes zu berühren. Überlebte der Besitzer diese Tollkühnheit, dann spielte er die Szene während einer Siegesfeier vor.
Der Blackfoot-Kopfschmuck wurde von angesehenen alten Kriegern auf Versammlungen und bei Siegesfeiern getragen.
Der Blackfoot-Kopfschmuck wurde von angesehenen alten Kriegern auf Versammlungen und bei Siegesfeiern getragen.

Dieser 1,50 Meter lange Kopfschmuck bestand aus Bärenfell und Adlerfedern.
Der Crow, dem er gehörte, hielt den Grizzly für seinen persönlichen Beschützer,
während die Adlerfedern die Wildheit dieses Raubvogels symbolisierten.

Der Mandan, dem dieser Schild gehörte, bemalte seine Oberseite mit einer stilisierten Schildkröte;im Traum war ihm die Schildkröte mit ihrem Schutzpanzer als persönliches Schutzsymbol zugeschrieben worden.
Im Kampf band sich der Krieger den Schild an denselben Arm, mit dem er den Bogen führte, so daß er beide Hände frei hatte,
um Pfeile zu verschießen oder seine anderen Waffen zu gebrauchen.

Jeder Krieger besaß ein Messer, das er unter dem Gürtel trug.
In der Schlacht wurde es zum Nahkampf und als Skalpiermesser verwendet.
Nachdem ein Chippewa diesen Skalp eines Sioux (links) erbeutet hatte, schenkte er ihn der Mutter oder der Frau eines toten Kameraden.

Obwohl der Indianer Vertrauen zu seinem spirituellen Schutz hatte, setzte jeder Krieger in der Hitze des Gefechts sein Leben auf die Wirksamkeit seiner Waffen.
Die klassischen Angriffswaffen waren Pfeile und Bogen, Keulen und Tomahawks.

Und sie wurden in den sechziger und siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts, d. h. in dem für die kriegerischen Stämme der Prärie entscheidenden Zeitraum, noch immer verwendet.

 

Quelle

VERLAG FÜR AMERIKANISTIK, 25931 Wyk auf Foehr
Quellennachweis des Textes: Quellennachweis der Abbildungen:
© by Benjamin Capps, 1973 "Die Indianer"
© by Frank Niess, 1984 "Der Koloß im Norden (USA) "
sowie Veröffentlichungen der Kongreßbibliothek der USA (LOC) und des US Nationalarchiv (NARA)